Eine „ökumenische Weinprobe“

Prälat Meier kredenzte bei der Gebetswoche für die Einheit der Christen verschiedene Arten des Rebensaftes

AUGSBURG (jm) – „Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“ – dieses Motto aus der Apostelgeschichte stand über der weltweiten Gebetswoche für die Einheit der Christen. In die Tat umgesetzt wurde es auch beim Gottesdienst in der evangelischen Kirche St. Ulrich in Augsburg: Nicht der evangelische Regionalbischof Axel Piper stand auf der Kanzel, sondern der katholische Diözesanadministrator Bertram Meier als sein Gast.  

Auch wenn es nur rund 40 Gottesdienstbesucher waren, die am Abend des vorigen Donnerstag bei eisigem Wind als harter Kern die ökumenischen Erfolge und Anstrengungen in der Stadt der Confessio Augustana würdigten: Sie zeigten laut Meier: „Wir nehmen das ernst!“ Seit 17 Jahren habe er in Augsburg erfahren dürfen, dass die ökumenischen Bestrebungen viel mehr seien als bloße „höfliche Freundlichkeit“.

Ökumenischer Segen

Während des Gottesdienstes trugen die Vertreter der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), der katholische und der evangelische Ulrichspfarrer, Christoph Hänsler und Frank Kreiselmeier, Regionalbischof Piper sowie Diözesanadministrator Meier als derzeitiges Oberhaupt der katholischen Diözese und Landes-Vorsitzender der ACK Fürbitten und Gebetstexte vor. Nach Glaubensbekenntnis und Vater unser erteilten Piper und Meier den ökumenischen Segen.

In der Predigt bezog sich der Prälat auf das Wunder bei der Hochzeit zu Kana, Jesu erstem Zeichen. Um das Hochzeitspaar, dem der Wein ausgegangen ist, vor einer Blamage zu bewahren, lässt Jesus sechs große Krüge mit Wasser füllen und verwandelt sie in Wein, der weit besser als der alte ist.

Welche Weine auf den gemeinsamen ökumenischen Tisch passen? Keinesfalls dürfe „klarer, heller Wein“ fehlen, betonte Meier. Aufmerksamkeit, Transparenz, Ehrlichkeit – das seien die Voraussetzungen für den Dialog der Kirchen und Konfessionen. Auch „einfacher, schlichter Wein“ sei von entscheidender Bedeutung. Zwar brauche es komplizierte Kommissionen, Gesprächsforen, ökumenische Zentren wie Ottmaring, Grußkundgebungen und Events. „Aber zuerst und zuletzt ist es notwendig, dem Gebet und der Gemeinschaft im Heiligen Geist Raum zu geben.“

Herber Wein stehe ebenfalls auf dem Tisch: Herb deshalb, weil alle Versuche, die Ökumene nach menschlichen Maßstäben zu beschleunigen, vergeblich seien, denn „Sein ist die Zeit“. Zum Ausgleich werde den „Wasserträgern der Ökumene“ ein sehr kräftiger Trunk beschert, als Lohn durch Jesus in Form eines Wunders, gewährt für harte Arbeit, nicht für „theologische Drahtseilakte und liturgische Seiltänze“.

Text vor Event

Im fünften Krug gibt es „Spitzenwein“, der herrlich schmeckt und entsprechend gewürdigt werden muss: Der Diözesanadministrator dachte dabei an das hervorragende ökumenische Miteinander in Augsburg. Schon werfe die 500. Wiederkehr der Confessio Augustana in zehn Jahren ihre Schatten voraus. Bei den gemeinsamen Vorbereitungen müsse dem Text der Confessio die gebührende Beachtung geschenkt werden, nicht nur dem zu erwartenden Event im Goldenen Saal. 

Nicht ausbleiben werde bei der ökumenischen Weinprobe der bittere Tropfen des Ölbergs und des Karfreitags. „Dem Ökumeniker aus Passion bleiben Leid und Kreuz nicht erspart.“  Hier zeige sich, ob eine Gemeinschaft zerbricht oder zu einer echten Einheit wird, in der alle gemeinsam „für Jesus leiden, lieben und leben“.

Predigt beim Gottesdienst zur ökumenischen Gebetswoche

am Donnerstag, den 23. Januar 2020, in ev. St. Ulrich Augsburg

von Diözesadministrator Prälat Dr. Bertram Meier

Wissen Sie, was ein Festtagsteufel ist? Der schleicht sich unter die Gäste und tut alles, um das Fest zu vermasseln. Der Festtagsteufel gehört nicht zu den geladenen Gästen, er ist einfach da: Die Gans brennt an, das Rotweinglas wird über die frische weiße Tischdecke gegossen, ein Wort kommt in den falschen Hals, aus einer kleinen Mücke wird ein Elefant.

Auch bei der Hochzeitsparty in Kana ist der Festtagsteufel mit von der Partie. Der Wein geht aus! Das ist mehr als peinlich. Das fängt ja gut an, wenn man die Hochzeit nicht einmal richtig „begießen“ kann. Jesus, der mit seiner Mutter auch auf der Hochzeit ist, rettet die Situation. Das wird ganz schlicht und praktisch dargestellt: Er sorgt für den Wein durch sein Wort. Niemand von den Geladenen merkt etwas. Die Peinlichkeit ist vermieden. Das Fest geht weiter. Die Hochzeitsgesellschaft freut sich. Die Einheit ist gewahrt.

Damit sind wir beim Stichwort, das uns in der Ökumene-Woche bewegt hat: Einheit. Jesus wahrt die Einheit. Und er wahrt die Einheit bei einer Gelegenheit, die auf besondere Weise Einung und Einheit handgreiflich werden lässt, bei einer Hochzeit: d.h. beim Sich-Nahe-Kommen zweier Familien, am Anfang einer Lebensgemeinschaft zweier Menschen, die nicht nur Tischgemeinschaft, sondern auch Vertrautheit und Intimität bedeutet.

Für diesen Gottesdienst habe ich die Hochzeit zu Kana bewusst als Evangelium gewählt. Es passt gut zum Motto der diesjährigen Woche: „Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“ (Apg 28,2) Die Ökumene hier in Augsburg ist mehr als höfliche Freundlichkeit. Es geht tiefer: Damit meine ich Freundschaft, Befreundung in Christus. Danke für diese Freundschaften, die uns in Augsburg geschenkt werden. Stoßen wir heute auf die Ökumene an! 

Die sechs Krüge stehen nicht nur in Kana, sie stehen vor uns. So lade ich Sie zu einer „ökumenischen Weinprobe“ ein! 

1. Im ersten Krug ist ein klarer, heller Wein. Und die Regel des ökumenischen Speisemeisters lautet: „Seid aufmerksam und seid transparent!“

Damit fängt jede Begegnung an: mit Aufmerksamkeit. Die Mutter Jesu war ein aufmerksamer Mensch. Dass der Wein zur Neige geht, lässt sie nicht kalt. Sie nimmt die Not wahr. So gilt für uns Christen zuallererst, die ökumenische Not wahrzunehmen. Wohl jeder von uns hat ökumenische Wahrnehmungen und einschlägige Erfahrungen, was Ökumene anbelangt. Ich kann mich noch erinnern, wie vor vielen Jahren bei einem ökumenischen Gottesdienst jemand eine freie Fürbitte formulierte und dabei „für unsere armen evangelischen Mitchristen“ betete. 

So schmerzhaft solche Wahrnehmungen sind, wir müssen einander im ökumenischen Gespräch „klaren Wein“ eingießen. Nur wer die Not wahr- nimmt, kann auch das Not-wendige erkennen.

2. Der zweite Krug ist mit einfachem, schlichtem Wein gefüllt. „Sag es Jesus!“ lautet der Tipp des Speisemeisters. „Sie haben keinen Wein mehr.“ 

Das ist alles, was Maria sagt. Sicher braucht es auch in der Ökumene Proklamationen und Deklarationen, Lima-Papiere, Chartas und Konsensdokumente, Initiativen und Projekte. Es braucht Kommissionen und Gesprächsforen, ökumenische Zentren – ich denke hier besonders an Ottmaring -  und Großkundgebungen. Auch die Ökumene lebt in der Zeit der Events.

Aber zuerst und zuletzt ist es notwendig, dem Gebet und der Gemeinschaft im Heiligen Geist Raum zu geben. Das A und O der Ökumene ist das schlichte und einfache Gebet, das den Durst des Herzens zum Ausdruck bringt, wenn wir wie Maria zu Jesus sagen: Herr, wir haben keinen Wein mehr. Herr, uns ist der Wein ausgegangen, der unser Herz erfreut. Herr, der Wein, der uns einen sollte, ist zum dogmatischen Zankapfel geworden. Herr, wir haben keinen Wein mehr.

3. In den dritten Krug wird ein herber Wein geschüttet. Und die Regel des ökumenischen Speisemeisters für die Abfolge der „ökumenischen Gänge“ lautet: „Sein ist die Zeit“. 

Maria wird von Jesus auf kalte, distanzierende Weise behandelt. Da ändert auch die Tatsache nichts, dass Jesus schließlich doch noch helfend eingreift. Zu „dick aufgetragen“ hat Johannes hier in dunklen Farbtönen gemalt. Mit „Frau“ redet Jesus seine Mutter an. „Frau, was habe ich mit dir zu tun?“ sagt er, dem doch sonst so leicht und locker das zärtliche vertraute „Abba“ von den Lippen geht.

Stellen wir diese Begebenheit in den Zusammenhang mit der Hochzeit zu Kana, dann bekommt die Anrede, die Jesus gegenüber seiner Mutter gebraucht, einen drastischen Beiklang: Jesus sieht in der Bemerkung Marias geradezu etwas Dämonisches, wenigstens etwas Verführerisches. Worin liegt die Versuchung nicht nur bei Maria, sondern auch für unser ökumenisches Mühen?

Es ist die Versuchung, die Bedürfnisse des Menschen, unsere Wünsche, unsere eigenen Ideen zum Prinzip für das Handeln Gottes zu machen. Demgegenüber sagt Jesus: Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Habt Geduld! Lernt warten, bis die Früchte reif geworden sind. Für unsere Suche nach der Einheit der Christen heißt das: Niemand von uns kann eigenmächtig festsetzen, wann der Moment der vollen Einheit gekommen ist. Die ökumenischen Uhren dürfen wir weder stellen nach dem Maß unserer Ungeduld und Sehnsucht noch dürfen wir sie ausrichten nach unseren Bremsmanövern und Verzögerungstaktiken. Aus dem Evangelium heraus ist es klar, dass Gott, der Herr der Geschichte, das Tempo bestimmt, aber wie sieht es aus in der Praxis des Lebens? „Engagierte Gelassenheit“ bzw. „gelassenes Engagement“ sind schöne Formeln, die auch gelten für den Fortgang der Ökumene, aber wie wenig Meinungsverschiedenheit und Missverständnis reichen schon aus, um uns ungeduldig und ungenießbar werden zu lassen. Und so müssen wir, wie Maria, immer wieder auch den herben Wein verkosten und uns sagen lassen, immer wieder: Sein ist die Zeit.

4. Der vierte Krug schenkt uns einen starken, kräftigen Trunk ein: „Tut, was er euch sagt“. Bevor wir tun können, was der Heilige Geist uns sagt, gilt es, zum „Hörer des Wortes“ (Karl Rahner) zu werden. Lauschen können ist eine Kunst. Wie oft verhören wir uns, wenn wir hören? Wie schnell kann ein Zuhören ausarten in ein Verhör? Aus dem rechten Zuhören wird das richtige Tun erwachsen. „Seid nicht nur Hörer des Wortes, sondern Täter“. Der hl. Ignatius von Loyola drückt dies in seinen Exerzitien einmal so aus: „Wir sollen die Liebe mehr in die Werke als in die Worte legen“.

So heißt ökumenisch handeln: sich auf ein gemeinsames Tun, wo immer es möglich ist, einzulassen. Ökumenisch handeln heißt, nicht theologische Drahtseilakte und liturgische Seiltänze veranstalten, sondern gemeinsam den Dienst der Wasserträger von Kana auf sich nehmen. Diese ökumenischen Wasserträger werden in ein Geheimnis eingeweiht, das den bloßen „Feinschmeckern“ und „Abschmeckern“ der Ökumene vorenthalten bleibt: Die Wasserträger dürfen ein Wunder sehen, wo der Oberkellner nur guten Wein schmeckt. Und sie wissen, woher der Wein der Freude, der die Einheit wahrt, hergekommen ist: von Christus, dem Gast, der im Stillen zum Gastgeber wurde.

5. Der fünfte Krug fließt geradezu über von einem „Spitzenwein“, und wir sind vom ökumenischen Speisemeister eingeladen, die Überfülle zu genießen. Johannes tut alles um zu zeigen, dass Wein geboten wird in Hülle und Fülle, sechs Krüge voll, d.h. etwa 600 Liter. Um zu beweisen, dass der Wein hervorragend schmeckt, wird extra einer erwähnt, der die Kostprobe macht. Das Urteil der Hochzeitsgesellschaft genügt nicht. Ein Kenner der Materie muss ran: „Der Wein ist echt gut“. Doch damit berühren wir nur die Oberfläche. Es geht um mehr: Jesus hat seine Herrlichkeit geoffenbart. Funktioniert nicht auch so Ökumene? Geschieht Einung nicht vor allem dadurch, dass wir schauen auf das, was gut läuft, gut tut und gut ist? Auf das, was uns schon geschenkt ist, auf das, was „herrlich“ ist im Miteinander unter uns Christen?

So also geschieht Einung unter uns Christen: nicht im verbiesterten Klagen über die menschlichen Unhöflichkeiten, die es auch hie und da geben mag, sondern im gemeinsamen Staunen über die göttlichen Herrlichkeiten. Das ist die wahrhaft ökumenische Geschenktheorie, sich zu freuen am gegenseitigen Nehmen und Geben, über alle konfessionellen Grenzen hinweg.

6. Der sechste Krug ist gefüllt mit bitterem Wein, mit Ölbergwein, dem Wein des Kreuzes: Wein mit Essig vermischt. Anspielung an die Weisheit des Kreuzes: „Wenn ich erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“. Im Kreuz konzentriert sich alles, das Kreuz als Kristallisationspunkt; der Einigungspunkt, auf den hin alles sich sammelt, der alle anzieht und miteinander verklammert.

Für die ökumenische Bewegung bedeutet diese Weisheit des Kreuzes oft genug einen Wermutstropfen, ein Durchleiden, eben nicht in Bewegung sein, sondern sich ohnmächtig fixiert und festgenagelt zu fühlen. Heute haben viele den Eindruck, dass ökumenisch nichts mehr geht, dass wir auf der Stelle treten und alles stagniert. Es gibt aber auch ein Bleiben, ein dynamisches Bleiben, das mit Treue zu tun hat, mit Treue zur Wahrheit aus Liebe. Gerade in der Ökumene dürfen wir nicht leben von freundlichen Lügen, weil uns zur Wahrheit die Liebe fehlt. Wie Jesus damals, so müssen auch wir uns der Versuchung verweigern, vom Kreuz herunterzusteigen, weil es bequemer ist. Nur im Zeichen des Kreuzes wird die Sache der Ökumene weitergehen. Der gemeinsame Blick aufs Kreuz wird uns erkennen lassen, dass der Gekreuzigte seine Arme ausbreitet, um uns gleichsam unter seine Fittiche zu nehmen und uns an sich zu ziehen.

Die Hochzeit zu Kana fand statt am dritten Tag. Wie Jesus Wasser in Wein verwandelt hatte, so sollte er am dritten Tag den Weg erschließen ins Leben. Auch dem Ökumeniker aus Passion bleiben Leid und Kreuz nicht erspart. Und das ist gut so. Denn solche Erfahrungen zeigen, was Passion wirklich bedeutet: nicht nur Leiden, sondern Leidenschaft und nicht auch Leidensgemeinschaft im Einen Herrn. So lasst uns miteinander für Jesus leiden, lieben und leben. 

Anhang: Predigt beim Gottesdienst zur ökumenischen Gebetswoche

am Donnerstag, den 23. Januar 2020, in evangelisch St. Ulrich Augsburg

von Diözesadministrator Prälat Dr. Bertram Meier

Wissen Sie, was ein Festtagsteufel ist? Der schleicht sich unter die Gäste und tut alles, um das Fest zu vermasseln. Der Festtagsteufel gehört nicht zu den geladenen Gästen, er ist einfach da: Die Gans brennt an, das Rotweinglas wird über die frische weiße Tischdecke gegossen, ein Wort kommt in den falschen Hals, aus einer kleinen Mücke wird ein Elefant.

Auch bei der Hochzeitsparty in Kana ist der Festtagsteufel mit von der Partie. Der Wein geht aus! Das ist mehr als peinlich. Das fängt ja gut an, wenn man die Hochzeit nicht einmal richtig „begießen“ kann. Jesus, der mit seiner Mutter auch auf der Hochzeit ist, rettet die Situation. Das wird ganz schlicht und praktisch dargestellt: Er sorgt für den Wein durch sein Wort. Niemand von den Geladenen merkt etwas. Die Peinlichkeit ist vermieden. Das Fest geht weiter. Die Hochzeitsgesellschaft freut sich. Die Einheit ist gewahrt.

Damit sind wir beim Stichwort, das uns in der Ökumene-Woche bewegt hat: Einheit. Jesus wahrt die Einheit. Und er wahrt die Einheit bei einer Gelegenheit, die auf besondere Weise Einung und Einheit handgreiflich werden lässt, bei einer Hochzeit: d.h. beim Sich-Nahe-Kommen zweier Familien, am Anfang einer Lebensgemeinschaft zweier Menschen, die nicht nur Tischgemeinschaft, sondern auch Vertrautheit und Intimität bedeutet.

Für diesen Gottesdienst habe ich die Hochzeit zu Kana bewusst als Evangelium gewählt. Es passt gut zum Motto der diesjährigen Woche: „Sie waren uns gegenüber ungewöhnlich freundlich“ (Apg 28,2) Die Ökumene hier in Augsburg ist mehr als höfliche Freundlichkeit. Es geht tiefer: Damit meine ich Freundschaft, Befreundung in Christus. Danke für diese Freundschaften, die uns in Augsburg geschenkt werden. Stoßen wir heute auf die Ökumene an! 

Die sechs Krüge stehen nicht nur in Kana, sie stehen vor uns. So lade ich Sie zu einer „ökumenischen Weinprobe“ ein! 

1. Im ersten Krug ist ein klarer, heller Wein. Und die Regel des ökumenischen Speisemeisters lautet: „Seid aufmerksam und seid transparent!“

Damit fängt jede Begegnung an: mit Aufmerksamkeit. Die Mutter Jesu war ein aufmerksamer Mensch. Dass der Wein zur Neige geht, lässt sie nicht kalt. Sie nimmt die Not wahr. So gilt für uns Christen zuallererst, die ökumenische Not wahrzunehmen. Wohl jeder von uns hat ökumenische Wahrnehmungen und einschlägige Erfahrungen, was Ökumene anbelangt. Ich kann mich noch erinnern, wie vor vielen Jahren bei einem ökumenischen Gottesdienst jemand eine freie Fürbitte formulierte und dabei „für unsere armen evangelischen Mitchristen“ betete. 

So schmerzhaft solche Wahrnehmungen sind, wir müssen einander im ökumenischen Gespräch „klaren Wein“ eingießen. Nur wer die Not wahr- nimmt, kann auch das Not-wendige erkennen.

2. Der zweite Krug ist mit einfachem, schlichtem Wein gefüllt. „Sag es Jesus!“ lautet der Tipp des Speisemeisters. „Sie haben keinen Wein mehr.“ 

Das ist alles, was Maria sagt. Sicher braucht es auch in der Ökumene Proklamationen und Deklarationen, Lima-Papiere, Chartas und Konsensdokumente, Initiativen und Projekte. Es braucht Kommissionen und Gesprächsforen, ökumenische Zentren – ich denke hier besonders an Ottmaring -  und Großkundgebungen. Auch die Ökumene lebt in der Zeit der Events.

Aber zuerst und zuletzt ist es notwendig, dem Gebet und der Gemeinschaft im Heiligen Geist Raum zu geben. Das A und O der Ökumene ist das schlichte und einfache Gebet, das den Durst des Herzens zum Ausdruck bringt, wenn wir wie Maria zu Jesus sagen: Herr, wir haben keinen Wein mehr. Herr, uns ist der Wein ausgegangen, der unser Herz erfreut. Herr, der Wein, der uns einen sollte, ist zum dogmatischen Zankapfel geworden. Herr, wir haben keinen Wein mehr.

3. In den dritten Krug wird ein herber Wein geschüttet. Und die Regel des ökumenischen Speisemeisters für die Abfolge der „ökumenischen Gänge“ lautet: „Sein ist die Zeit“. 

Maria wird von Jesus auf kalte, distanzierende Weise behandelt. Da ändert auch die Tatsache nichts, dass Jesus schließlich doch noch helfend eingreift. Zu „dick aufgetragen“ hat Johannes hier in dunklen Farbtönen gemalt. Mit „Frau“ redet Jesus seine Mutter an. „Frau, was habe ich mit dir zu tun?“ sagt er, dem doch sonst so leicht und locker das zärtliche vertraute „Abba“ von den Lippen geht.

Stellen wir diese Begebenheit in den Zusammenhang mit der Hochzeit zu Kana, dann bekommt die Anrede, die Jesus gegenüber seiner Mutter gebraucht, einen drastischen Beiklang: Jesus sieht in der Bemerkung Marias geradezu etwas Dämonisches, wenigstens etwas Verführerisches. Worin liegt die Versuchung nicht nur bei Maria, sondern auch für unser ökumenisches Mühen?

Es ist die Versuchung, die Bedürfnisse des Menschen, unsere Wünsche, unsere eigenen Ideen zum Prinzip für das Handeln Gottes zu machen. Demgegenüber sagt Jesus: Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Habt Geduld! Lernt warten, bis die Früchte reif geworden sind. Für unsere Suche nach der Einheit der Christen heißt das: Niemand von uns kann eigenmächtig festsetzen, wann der Moment der vollen Einheit gekommen ist. Die ökumenischen Uhren dürfen wir weder stellen nach dem Maß unserer Ungeduld und Sehnsucht noch dürfen wir sie ausrichten nach unseren Bremsmanövern und Verzögerungstaktiken. Aus dem Evangelium heraus ist es klar, dass Gott, der Herr der Geschichte, das Tempo bestimmt, aber wie sieht es aus in der Praxis des Lebens? „Engagierte Gelassenheit“ bzw. „gelassenes Engagement“ sind schöne Formeln, die auch gelten für den Fortgang der Ökumene, aber wie wenig Meinungsverschiedenheit und Missverständnis reichen schon aus, um uns ungeduldig und ungenießbar werden zu lassen. Und so müssen wir, wie Maria, immer wieder auch den herben Wein verkosten und uns sagen lassen, immer wieder: Sein ist die Zeit.

4. Der vierte Krug schenkt uns einen starken, kräftigen Trunk ein: „Tut, was er euch sagt“. Bevor wir tun können, was der Heilige Geist uns sagt, gilt es, zum „Hörer des Wortes“ (Karl Rahner) zu werden. Lauschen können ist eine Kunst. Wie oft verhören wir uns, wenn wir hören? Wie schnell kann ein Zuhören ausarten in ein Verhör? Aus dem rechten Zuhören wird das richtige Tun erwachsen. „Seid nicht nur Hörer des Wortes, sondern Täter“. Der hl. Ignatius von Loyola drückt dies in seinen Exerzitien einmal so aus: „Wir sollen die Liebe mehr in die Werke als in die Worte legen“.

So heißt ökumenisch handeln: sich auf ein gemeinsames Tun, wo immer es möglich ist, einzulassen. Ökumenisch handeln heißt, nicht theologische Drahtseilakte und liturgische Seiltänze veranstalten, sondern gemeinsam den Dienst der Wasserträger von Kana auf sich nehmen. Diese ökumenischen Wasserträger werden in ein Geheimnis eingeweiht, das den bloßen „Feinschmeckern“ und „Abschmeckern“ der Ökumene vorenthalten bleibt: Die Wasserträger dürfen ein Wunder sehen, wo der Oberkellner nur guten Wein schmeckt. Und sie wissen, woher der Wein der Freude, der die Einheit wahrt, hergekommen ist: von Christus, dem Gast, der im Stillen zum Gastgeber wurde.

5. Der fünfte Krug fließt geradezu über von einem „Spitzenwein“, und wir sind vom ökumenischen Speisemeister eingeladen, die Überfülle zu genießen. Johannes tut alles um zu zeigen, dass Wein geboten wird in Hülle und Fülle, sechs Krüge voll, d.h. etwa 600 Liter. Um zu beweisen, dass der Wein hervorragend schmeckt, wird extra einer erwähnt, der die Kostprobe macht. Das Urteil der Hochzeitsgesellschaft genügt nicht. Ein Kenner der Materie muss ran: „Der Wein ist echt gut“. Doch damit berühren wir nur die Oberfläche. Es geht um mehr: Jesus hat seine Herrlichkeit geoffenbart. Funktioniert nicht auch so Ökumene? Geschieht Einung nicht vor allem dadurch, dass wir schauen auf das, was gut läuft, gut tut und gut ist? Auf das, was uns schon geschenkt ist, auf das, was „herrlich“ ist im Miteinander unter uns Christen?

So also geschieht Einung unter uns Christen: nicht im verbiesterten Klagen über die menschlichen Unhöflichkeiten, die es auch hie und da geben mag, sondern im gemeinsamen Staunen über die göttlichen Herrlichkeiten. Das ist die wahrhaft ökumenische Geschenktheorie, sich zu freuen am gegenseitigen Nehmen und Geben, über alle konfessionellen Grenzen hinweg.

6. Der sechste Krug ist gefüllt mit bitterem Wein, mit Ölbergwein, dem Wein des Kreuzes: Wein mit Essig vermischt. Anspielung an die Weisheit des Kreuzes: „Wenn ich erhöht bin, werde ich alle an mich ziehen“. Im Kreuz konzentriert sich alles, das Kreuz als Kristallisationspunkt; der Einigungspunkt, auf den hin alles sich sammelt, der alle anzieht und miteinander verklammert.

Für die ökumenische Bewegung bedeutet diese Weisheit des Kreuzes oft genug einen Wermutstropfen, ein Durchleiden, eben nicht in Bewegung sein, sondern sich ohnmächtig fixiert und festgenagelt zu fühlen. Heute haben viele den Eindruck, dass ökumenisch nichts mehr geht, dass wir auf der Stelle treten und alles stagniert. Es gibt aber auch ein Bleiben, ein dynamisches Bleiben, das mit Treue zu tun hat, mit Treue zur Wahrheit aus Liebe. Gerade in der Ökumene dürfen wir nicht leben von freundlichen Lügen, weil uns zur Wahrheit die Liebe fehlt. Wie Jesus damals, so müssen auch wir uns der Versuchung verweigern, vom Kreuz herunterzusteigen, weil es bequemer ist. Nur im Zeichen des Kreuzes wird die Sache der Ökumene weitergehen. Der gemeinsame Blick aufs Kreuz wird uns erkennen lassen, dass der Gekreuzigte seine Arme ausbreitet, um uns gleichsam unter seine Fittiche zu nehmen und uns an sich zu ziehen.

Die Hochzeit zu Kana fand statt am dritten Tag. Wie Jesus Wasser in Wein verwandelt hatte, so sollte er am dritten Tag den Weg erschließen ins Leben. Auch dem Ökumeniker aus Passion bleiben Leid und Kreuz nicht erspart. Und das ist gut so. Denn solche Erfahrungen zeigen, was Passion wirklich bedeutet: nicht nur Leiden, sondern Leidenschaft und nicht auch Leidensgemeinschaft im Einen Herrn. So lasst uns miteinander für Jesus leiden, lieben und leben.

27.01.2020 - Bistum Augsburg , Ökumene