Christian Hartl

Die Spiritualität stark machen

AUGSBURG – Dr. Christian Hartl wurde am Martinstag von Bischof Bertram als Direktor von Leitershofen und Bischöflicher Beauftragter für Geistliches Leben ins Amt eingeführt. Im Interview erläutert er Pläne und Hoffnungen. 

Herr Direktor Hartl, Sie kommen aus der Weltkirche in die Heimat zurück. Haben Sie keine Angst, eingeengt zu werden?

Ich bin wirklich sehr dankbar für die vielfältigen Erfahrungen von Weltkirche, die ich in den vergangenen Jahren als Hauptgeschäftsführer des Osteuropa-Hilfswerkes Renovabis und dann auch als Sprecher der weltkirchlichen Werke sammeln durfte. Aber nein, ich habe keine Angst, im Heimatbistum nun eingeengt zu sein. Denn erstens möchte ich mir die weltkirchliche Weite in meinem Herzen gerne bewahren. Und zweitens wird mich jeder Mensch, der mir in den neuen Aufgaben begegnet, mit seiner Biographie und seiner Lebenserfahrung bereichern und somit meinen Horizont weiten. Denn jede Lebensgeschichte birgt in sich einen Kosmos im Kleinen. Das fasziniert mich.

Das von Bischof Bertram neu eingeführte Amt des Geistlichen Beauftragten legt den Schluss nahe, dass ihm auf diesem Feld ein Mehr und Neues sehr wichtig sind. Haben Sie schon Pläne?

Zunächst fand und finde ich die Begründung von Bischof Bertram bemerkenswert. Er sagt ja, wir würden in der Kirche sehr viel über Strukturen, Finanzen, über rechtliche Fragestellungen diskutieren – und das hat ja alles auch seine Berechtigung. Aber was uns als Kirche zuinnerst ausmacht, das ist die Spiritualität. Und was Menschen auch heute suchen – selbst viele, die der Kirche den Rücken gekehrt haben – das ist die Spiritualität. Die gilt es also stark zu machen und aus ihr heraus sind alle anderen Probleme anzugehen.

Nun gibt es aber ja – Gott sei Dank – im Bistum viele Menschen, die sich um eine profunde Spiritua­lität, um geistliches Leben, mühen – in den Gemeinden, Verbänden, als einzelne. Es gibt spirituelle Orte, zum Beispiel die Klöster. Es gibt viele spirituelle Initiativen, angefangen beim gemeinsamen Gebet über Exerzitien im Alltag bis hin zum selbstlosen Dienst an den Armen und Marginalisierten. Ich möchte zunächst mit den vielen „geistlichen Akteuren“ ins Gespräch kommen und ein „Netzwerk des geistlichen Lebens“ knüpfen. Ich selbst lebe aus dem Vertrauen, dass der Geist Gottes uns führen wird, wenn wir uns ihm im gemeinsamen Nachdenken öffnen. Dies ist übrigens auch das Verständnis von Syno­dalität, wie ich sie in der Tradition der Ostkirchen kennengelernt habe: Gemeinsam auf Gott hören, miteinander überlegen und dann vorangehen, Schritt für Schritt.

Sie werden Geistlicher Direktor des Exerzitienhauses von Leitershofen, das gerüchteweise schon mal vor der Schließung stand. Wie möchten Sie es voranbringen?

Ich kehre nach zwölf Jahren nach Augsburg zurück und komme somit „von außen“. Das heißt, ich kenne diese Gerüchte nicht. Aber als ich Seminarist im Priesterseminar war, gaben uns unsere Ausbilder den Rat „primo anno oculus“, das heißt sinngemäß: Im ersten Jahr in einer neuen Aufgabe erst einmal gut hinschauen! Als ich selbst Regens war und die Seminaristen in die Gemeinden entließ, gab auch ich ihnen diesen Rat mit auf den Weg. Insofern will ich nun erst einmal schauen, fragen und mich mit anderen beraten. Ich bin sehr dankbar, dass Norbert Streit als „Geschäftsführender Direktor“ mit mir als „Geistlichem Direktor“ eine Doppelspitze bildet und wir mehrere sehr kompetente Referentinnen und viele erfahrene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben. Gemeinsam werden wir das Exerzitienhaus und seine programmatische Ausrichtung weiterentwickeln.

Bei Ihrer Amtseinführung wurde auch das neue Material für Exerzitien im Alltag vorgestellt. Gibt es hier schon Akzente von Ihnen?

Nein, ich war ja noch bis in den Herbst hinein in meinen vorherigen Aufgabenbereichen voll gefordert. Das Material zum Thema „Du bist uns nahe“ wurde bereits im Frühjahr und Sommer von einem kompetenten Team zusammengestellt. Deshalb blieb mir nur die Aufgabe, in einem Vorwort Interesse für das Thema zu wecken. Aber ich freue mich, dass jetzt schon eine rege Nachfrage zu verzeichnen ist. Mehr als in der Vergangenheit wird es diesmal übrigens viele Online-Angebote von Gruppen und diözesanen Fachstellen geben.

Sie wurden im Bistum nicht immer gerecht behandelt. Hinterlässt das Spuren und kann man daraus etwas lernen?

Alles, was wir erleben, hinterlässt Spuren in uns. Und was wir erleiden, erst recht. Meine Devise war und ist freilich, dass sich Lebenskunst nicht dann schon zeigt, wenn alles kommt, wie wir es erhofft haben. Lebenskunst bedeutet vielmehr, aus allem, was uns widerfährt – vor allem aus den Brüchen und Zumutungen – das Beste zu machen. Hoffen und beten wir, dass uns diese Kunst, gut zu leben, immer wieder gelingt.

Interview: Johannes Müller