Ein Tag bei den Domsingknaben

Eingesungene Gemeinschaft

AUGSBURG – Still ist es im Haus St. Ambrosius. Man hört keinen Laut vom Baulärm direkt vor dem Eingang und von den Domsingknaben wider Erwarten auch nichts. Erst gegen Mittag, nach Schulschluss, wird sich das Haus füllen, wenn die Jungen zum Essen, zur Chorprobe, zur Stimmbildung und zum Instrumental­unterricht eintreffen.

Dass seine Sänger „ganzheitlich“ betreut werden, ist Domkapellmeister Reinhard Kammler sehr wichtig. Anders als in Chören mit angeschlossenem Internat sollen die Domsingknaben genügend Zeit mit Familie und Freunden verbringen oder andere Hobbys pflegen können. Diese Freiheit, die enge Gemeinschaft und die Freude am Singen lässt die Jungen auch in den Ferien gerne proben und Termine wahrnehmen.

Auch eine kirchliche Heimat will Kammler seinen Sängern mitgeben. Viele Jungen kommen aus kirchlich-aktiven Familien, einige lernen Kirche und lebendigen Glauben aber erst durch den Chor kennen. Einer seiner Knaben, sagt Kammler, hat sich mit 16 Jahren taufen lassen. 

Wer hier Sänger war, geht niemals so ganz – weder aus der Kirche noch aus dem Chor: Häufig singen Ehemalige noch als Erwachsene im Dom- oder im Männerchor. Sie vererben ihre musikalische Leidenschaft den eigenen Söhnen.

Einer, der auch nach seiner regulären Zeit als Domsingknabe das Haus Ambrosius nicht verlassen hat, ist der 18-jährige Georg Starz. Er hat schon im Kindergarten gerne gesungen und ist als Fünfjähriger durch einen Freund auf die musikalische Früherziehung gestoßen. 

Anders als sein Freund blieb Georg auch danach bei den Domsingknaben und verbrachte zwei bis drei Tage pro Woche im Haus St. Ambrosius. Dort gefielen ihm die Gemeinschaft, die Freunde und die „vielen coolen Sachen“. Beispielsweise seine Rolle in Mozarts Zauberflöte im berühmten Stockholmer Schlosstheater Drottningholm und die Aufnahme der CD „Die drei Chorjungen“ im Verlag „Deutsche Grammophon“ im Jahr darauf. 

Nach seinem Abitur absolviert Georg nun ein Freiwilliges Soziales Jahr im Haus St. Ambrosius. Er betreut die zwölf- bis 18-jährigen Jungen bei den Hausaufgaben und in der Freizeit. Musik ist für ihn weiterhin wichtig: Wenn seine Zeit es zulässt, möchte er gerne noch als Männerstimme weitersingen. 

Gar nicht mehr still, dafür adventlich wird es um 14 Uhr im Karl-Kraft-Saal. Für das Benefizkonzert im Kloster Maria Medingen in Mödingen üben die Sänger unter der Leitung von Julian Müller-Henneberg die Choral-Komposition „Christmas Lullaby“ von John Rutter. Zwar ist das Stück für sie vollkommen neu, klingt aber auch beim ersten Singen bereits konzertreif.

Seine Leistung macht den Chor deutschlandweit und weltweit bekannt. In Reinhard Kammlers Büro zeugen Fotos von Auftritten mit Berühmtheiten wie Montserrat Caballé oder Josep Carreras – seit 1976, dem Jahr, als Kammler die Augsburger Domsingknaben wieder ins Leben rief. 

Der Chor war natürlich auch mehrmals in Rom, bei Papst Paul VI., Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Bei Papst Franziskus war er noch nicht, – aber „wer weiß, ob es demnächst was wird“, meint Kammler. Mal sehen. Für die Adventskonzerte kommen die Domsingknaben jetzt erstmal in der Diö­zese Augsburg weit herum. 

Lydia Schwab

21.11.2018 - Bistum Augsburg , Kirchenmusik