Bächinger hatten sogar eine eigene Form des Spätzlehobels

Einst evangelische Enklave

BÄCHINGEN – In eine kuriose Situation geriet Johannes Moosdiele-Hitzler, der aus Bächingen im Landkreis Dillingen stammt, als er sich mit einer alteingesessenen Bürgerin der katholischen Nachbarstadt Gundelfingen unterhielt. 

Diese wusste nicht genau, wo Bächingen liegt, obwohl es sich in der unmittelbaren Nachbarschaft befindet. „In die Richtung komme ich nie“, sagte die Dame. Schaut man in die Kirchenbücher von Bächingen, findet man des Rätsels Lösung: Über viele Jahrhunderte war die Gemeinde eine evangelische Enklave in einem katholischen Umfeld, und konfessionsverschiedene Ehen waren tabu. 

Der Archivar und Historiker Moosdiele-Hitzler hat in seiner Doktorarbeit „Konfessionskultur – Pietismus – Erweckungsbewegung“ die Entstehung der unterschiedlichen konfessionellen Kulturen am Beispiel Bächingens untersucht. Im Gegensatz zu den umschließenden Gebieten des Landkreises Dillingen, die zum Fürstentum Pfalz-Neuburg und zum Hochstift Augsburg gehörten, war Bächingen eine reichsunmittelbare Ritterherrschaft. Diese wurde in den 1570ern evangelisch und blieb es auch. Hintergrund war ein Streit um dem katholischen Pfarrer von Brenz, der seine Filiale Bächingen vernachlässigte. 

Daher orientierten sich die Bächinger bis in die jüngste Vergangenheit nicht nach dem bayerischen Schwaben, sondern nach dem protestantischen Württemberg. Dies ist bis heute unter anderem an der Aussprache zu erkennen. Der Rest des Landkreises Dillingen spricht das R, wie in Bayern üblich, rollend, die Bächinger dagegen das „württembergische“ Zäpfchen-R, das hinten am Gaumen gesprochen wird. Die Weihnachtsplätzchen heißen hier nicht „Loibla“, sondern „Bredla“. 

Auch das schwäbische Nationalgericht, die Spätzle, wurden in den katholischen und evangelischen Gebieten unterschiedlich zubereitet. Dem trug der Erfinder des Spätzlehobels Rechnung, indem er 1929 eine katholische Form mit Rundlöchern und eine protestantische mit Zungenlöchern auf den Markt brachte. 

Lieblicherer Blick

Auch in der Kleidung war ein Unterschied zu bemerken. Die katholischen und evangelischen Frauen hatten verschiedene Hauben und Kleiderschnitte. Der Reiseschriftsteller Karl Julius Weber stellte Anfang des 19. Jahrhunderts sogar fest, dass katholische Mädchen einen lieblicheren Blick hätten als evangelische. Das Körnchen Wahrheit darin war wohl in den evangelischen Pietisten zu finden, die als Zeichen der Weltentsagung immer eine hängende Kopfhaltung hatten und das als Eitelkeit verpönte Lachen vermieden.

Ab 1615 verschärfte sich der Wettbewerb mit dem benachbarten Fürstentum Pfalz-Neuburg. Denn nach diversen Konfessionswechseln wurde es in diesem Jahr katholisch. Der evangelisch-schlichten Bächinger Nikolaikirche setzte Pfalz-Neuburg das prunkvolle Kloster Obermedlingen vor die Nase, mit dem höchsten Kirchturm zwischen Ulm und Augsburg und großen Heiligenfiguren an der Außenfassade. 

Dennoch kam Bächingen 1805 an das katholische Bayern. Die beliebte Herzogin Franziska von Württemberg unterwarf ihr Privatgut Bächingen dem König von Bayern, um nur ja nicht unter die Hoheit ihres tyrannischen Neffen, König Friedrichs I. von Württemberg, zu kommen. Durch den Strukturwandel nach dem Zweiten Weltkrieg lösten sich die unterschiedlichen Konfessionskulturen weitgehend auf.

Martin Gah