Malteser: Katharina von Ballestrem-Fugger kennt keine Berührungsängste

Eine Gräfin fürs Zuhören

AUGSBURG – „Ich glaube, die Kleinen haben das gar nicht richtig verstanden. Ich sehe ja noch gleich aus!“ Wahrscheinlich wissen es auch viele von den großen Menschen, mit denen Katharina Gräfin Fugger von Glött zu tun hat, noch gar nicht: Die neue Diö­zesanoberin der Malteser hat geheiratet und heißt jetzt „Balles­trem-Fugger“. Beim Redaktionsbesuch, zu dem sie Geschäftsführer Alexander Pereira mitgebracht hat, erzählt die Frau aus berühmten Hause offenherzig von den Beweggründen ihres gesellschaftlichen Engagements. Sie hat übrigens einen ganz normalen Brotberuf: Sie ist Grundschullehrerin. 

Gräfin Ballestrem-Fugger, seit 1. April sind Sie Diözesanoberin der Malteser im Bistum Augsburg. Was hat Sie bewogen, dieses Ehrenamt zu übernehmen?

Es war mir sehr wichtig, weil ich schon seit 2007 als Ordensdame Mitglied im Malteserorden bin und schon seit sehr langer Zeit mit den Maltesern nach Lourdes pilgere. Mich bei den Maltesern in meiner unmittelbaren Umgebung zu engagieren, war mir auch wegen unseres Leitspruchs ein großes Anliegen: „Den Glauben bezeugen und sich für Arme und Kranke einsetzen.“

 

Sie haben in Jakob Fugger dem Reichen einen berühmten Vorfahren, der die Fuggerei in Augsburg, heute die älteste Sozialsiedlung der Welt, gegründet hat. Soziales Engagement hat eine lange Tradition in Ihrer Familie. Fühlen Sie sich dem Erbe verpflichtet?

Ja, sehr. Wir sind so erzogen und aufgewachsen, dass der Nächste wichtig ist. Auch weil wir aus einer katholischen Familie kommen. Im Rahmen der Fuggerischen Stiftungen hat sich meine Familie mit den bedürftigen Menschen beschäftigt. Wir haben versucht, ihnen beizustehen und zu helfen. Dieser Tradition fühle ich mich verpflichtet. Beim Malteser-Orden und beim Maltester-Hilfsdienst habe ich ein Zuhause gefunden. Da ist vieles deckungsgleich mit meinen Anliegen. Ich kann mich dort hervorragend einbringen.

Sie haben eingangs den Leitsatz der Malteser zitiert, Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen. Was bedeutet das für Sie?

Ich selber bin Religionslehrerin. Ich habe die Missio, ich unterrichte katholische Religionslehre, das ist das eine. Das andere ist, dass ich aus einer traditionell katholischen Familie komme und mich immer schon engagiert habe, beeinflusst auch durch das Vorbild meiner Eltern. Der Bereich der Katholischen Soziallehre war in meiner Familie immer ein Thema. Ich denke, es ist ganz wichtig, im Nächsten und im Hilfsbedürftigen Christus zu erkennen. Das hat mich immer schon sehr bewegt, mich ebenfalls zu engagieren. Das trifft sich natürlich dann auch sehr gut mit dem Leitsatz der Malteser und mit dem Leitsatz der Fuggerei. Mit der Sozialsiedlung der Fuggerei wollen wir auch die Schwachen stützen und die armen Menschen unterstützen. Der Leitspruch in der Familie Fugger lautet „Gott und Maria“.

Sie sind Grundschullehrerin in Augsburg. Das heißt ja nicht nur, vormittags in der Schule zu sein – es gilt auch, den Unterricht vorzubereiten. Da steckt viel Arbeit dahinter. Wie schaffen Sie es, Ihren Beruf mit dem Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen?

Ich denke, da geht es mir so wie sehr vielen Leuten, die sich ehrenamtlich engagieren. Jeder hat natürlich einen Beruf, den er im Hauptamt ausfüllen muss und von dem er auch lebt.

Wenn man sich darüber hinaus noch sozial und ehrenamtlich engagieren will, dann muss man genaue Schwerpunkte festlegen: Wie möchte und kann ich mich engagieren, damit nichts auf der Strecke bleibt? Das ist eine Sache, die mich mit sehr vielen Ehrenamtlichen bei den Maltesern verbindet. Das Problem haben viele. Wie kann man Ehrenamt und Hauptamt verbinden? Hier muss man Brücken bauen: Die Ehrenamtlichen im Malteser-Hilfsdienst werden zum Beispiel nicht mit Verwaltungsaufgaben belastet  – dafür haben wir Hauptamtliche. So kann sich ein Ehrenamtlicher gut einbringen. Jeder hat natürlich einen eigenen Anspruch, der sich nicht immer erfüllen lässt. Aber zumindest kann man es probieren.

Als Diözesanoberin sind Sie Ansprechpartnerin für die Ehrenamtlichen. Wie können Sie denen zur Seite stehen, Ihnen Rat geben?

Ich habe große Freude im Umgang mit Menschen. Bei Veranstaltungen, Fahrten oder Feierlichkeiten kann man den Leuten zuhören, sie unterstützen, ihre Arbeit wertschätzen. Ich kann zum Beispiel sagen, dass sie ihre wichtige Aufgabe bewundernswert machen. Das kenne ich aus meiner ehrenamtlichen Tätigkeit in einem anderen Bereich: Ich besuche mit Kindern alte Menschen in der Fuggerei, und da gibt’s immer mal ein Auf und Ab. Zum Beispiel: An einem Tag funktioniert es gar nicht so gut, es waren nicht viele Fuggereibewohner oder Kinder da. Genau dann, wenn man traurig oder enttäuscht ist, braucht man eine Ansprechperson, die zuhört und sagt: „Nein, Kopf hoch, du musst das weiter machen, es ist wichtig.“

Wenn man selber schon solche Erfahrungen gemacht hat, weiß man, dass Ehrenamtliche  Unterstützung brauchen, wenn sie Probleme haben und einfach mal reden wollen. Im Ehrenamt passiert das ja oft, weil man sich manchmal etwas anders vorgestellt hat. Dann ist es gut, wenn wir als Team mit dem Grafen von Hundt, der Diözesanleiter ist, und mit unserem Geschäftsführer, Herrn Pereira, gemeinsam die Ehrenamtlichen in ihrer wichtigen Aufgabe stützen können.  

Als Ihre Schwerpunkte haben Sie genannt, Alt und Jung zusammenzubringen und sich dem Bereich Altersarmut und Demenz anzunehmen. Warum haben Sie gerade diese Schwerpunkte gewählt?

Alt und Jung zusammenzubringen, das ergibt sich natürlich schon durch meinen Beruf: Seit 2001 besuche ich als Lehrerin mit Kindern aus dritten und vierten Klasse einmal im Monat die alten oder bedürftigen Leute in der Fuggerei. Kinder und alte Menschen profitieren davon gegenseitig. Auch bei den Maltesern haben wir es als Notwendigkeit erkannt, die Generationen zusammenzubringen. Das ist auch für unsere Gesellschaft sehr wichtig. 

Zum anderen Schwerpunkt: So wie überall gibt es auch bei uns in der Familie Menschen, die unter Demenz leiden. Ich habe auch persönliche Erfahrungen damit gemacht, und mir hat es sehr geholfen, dass ich bei einer Fortbildung bei den Malteser erfuhr: An Demenz erkrankte Menschen können sehr stark über Gefühle mit anderen kommunizieren, auch wenn das verstandesmäßig nicht mehr so möglich ist. Dieses Wissen hat mir sehr geholfen.

Demenz ist ja heute ein Riesenthema: In allen Familien sind Menschen davon betroffen. Als Angehöriger ist man im ersten Moment ratlos – man kennt die Ursachen nicht und will die Veränderungen eines geliebten Menschen nicht sehen. Deswegen ist es beeindruckend, dass es die Ehrenamtlichen gibt. Bei uns werden verschiedene Dienste angeboten, ein Besuchs- und ein Begleitdienst für demenziell Erkrankte und Tagesbetreuung zum Beispiel. Damit wird den Angehörigen wirksam geholfen. Die können dann auch mal sagen: „Mein Familienmitglied ist gut versorgt, und ich kann jetzt auch mal was für mich tun.“

Zum Führungsteam gehören Diözesanleiter Wolf-Dietrich Graf von Hundt und Diözesangeschäftsführer Alexander Pereira, der Sie heute begleitet. Wie stimmen Sie sich untereinander ab? Gilt die Devise: Der eine macht das, der andere das? Oder legen Sie das einmal im Monat bei einer Besprechung fest?

Graf von Hundt hat ja auch noch einen Stellvertreter, Graf von Ballestrem, einen angeheirateten Verwandten von mir. Es ist im Grunde ein Führungsteam aus fünf Personen und wir stimmen uns so ab, dass jeder eine Sparte übernimmt. Der Bereich, in dem ich meine Aufgaben sehe, ist der Austausch und die Kommunikation zwischen den Ehrenamtlichen, zum Beispiel auch mit den Katastrophenschützern. Den wirtschaftlichen und organisatorischen Bereich plant hingegen mehr der Graf Hundt zusammen mit der Geschäftsführung.  

Viele im Leitungsteam kommen aus einer adeligen Familie. Woran liegt das?

Es hat natürlich mit der 950 Jahre langen Tradition des Ritterordens zu tun. Im Laufe der Geschichte haben sich hier sehr viele Adelige engagiert, und in verschiedenen Familien ist diese Tradition auch noch vorhanden. Heutzutage können sich alle einbringen, und entsprechend sind aus allen Familien Angehörige vertreten. Unter den Ordensmitgliedern in aller Welt stammt heute nur ein Bruchteil aus adeligen Familien. 

Das heißt, man könnte auch ohne adeligen Titel in die Führungsebene kommen?

Jederzeit. 

Das Kreuz, das Sie umhängen haben, und das auch auf Ihrem Hals­tuch abgebildet ist: Hat es damit eine bestimmte Bewandtnis? 

Ja, das ist das achtspitzige Kreuz. Jede Spitze steht für eine der acht Seligpreisungen aus der Bergpredigt. Das achtspitzige Kreuz ist das Zeichen, das den Malteser-Orden und den Malteser-Hilfsdienst nach außen repräsentiert. Die Johanniter haben es auch. Der geschichtliche Ursprung vom katholischen Malteser- und evangelischen Johanniter-Orden ist der gleiche. Wir haben  auch zwischen dem Malteser-Hilfsdienst und der Johanniter-Unfallhilfe ganz viele Kontakte. Als Aufgabe und Hoffnung steht uns vor Augen, dass wir über die konfessionellen Grenzen vielleicht einmal zusammenwachsen und dadurch die Ökumene weiterbringen. 

Interview: bc, la, rk, jm