Porträt von Therese Ullrich

„Ullrika" scheute keine Anstrengung, wenn es um Frauenbildung ging

LANDSBERG – Während im noblen München 1888 das Café Luitpold, ein Palastcafé mit Festsälen, Hallen und Gängen für 1200 Gäste eröffnete, wo Frauenrechtlerinnen und Intellektuelle wie Anita Augspurg (1857 bis 1943), Franziska Gräfin zu Reventlow (1871 bis 1918), Lou Andreas-Salomé (1861 bia 1937) an den Stammtischen saßen und die Blicke der feinen Gesellschaft auf sich zogen, ist in Landsberg am Lech still und un­spektakulär eine große Frauenpersönlichkeit und Kämpferin für Frauenrechte auf die Welt gekommen: Therese Ullrich (1888 bis 1981).

 Alle nannten sie Ulrika. Von 1912 bis ins fortgeschrittene Alter war sie für den Katholischen Deutschen Frauenbund in Bayern unterwegs. 1912 war unter anderem Therese Ullrich Gründungsmitglied des Zweigvereins Landsberg im KDFB.

Das neue Jahr 1919 ist gerade einen Tag alt: Da stürmen 35 Burschen den Saal einer oberbayerisch Kleinstadt, in dem Ulrika vor 500 Frauen eine flammende Rede zum soeben hart erkämpften Frauenwahlrecht halten will. Die Kerle werfen Ulrika vom Podium und verprügeln die zarte Frau, die an einem Beinleiden erkrankt ist, mit knüppeldicken Stöcken. Sie hat Glück, weil die Frauen so dicht am Bühnenrand stehen, dass sie aufgefangen und nicht zertrampelt wird. An diesem Neujahrstag in einer oberbayerischen Kleinstadt verzichtet sie schweren Herzens auf ihre Rede. 

Bösartige Attacken wie diese erlebt sie an der Wende 1918/1919 immer wieder. Sie ist damit nicht allein. Den Frauenrechtlerinnen geht es im Allgemeinen genauso, denn die männliche Übermacht ist nicht begeistert, dass der Sozialdemokrat Kurt Eisner in der Nacht zum 8. November 1918 das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht für Männer und Frauen verkündet hat. Mit dem Wahlrecht haben die Frauen ein Heimatrecht und Staatsbürgerrechte. Sie sind nicht mehr von öffentlichen Ämtern und von der Politik ausgeschlossen.  

Zu den sieben Frauen, die am 12. Januar 1919 in den Bayerischen Landtag gewählt worden und am 27. März 1919 eingezogen sind, gehörte auch Ellen Ammann. Sie war die einzige Frau, die dem Parlament durchgehend bis 1932 angehörte. Ihre letzte Rede hielt sie wenige Stunden vor ihrem Tod. Ulrika gehörte zu den unermüdlichen Netzwerkerinnen um Ellen Ammann. 

Heute weiß man, dass die körperbehinderte, immer leicht kränkelnde Frau zu den wichtigsten Persönlichkeiten des bayerischen Landesverbandes im Katholischen Deutschen Frauenbund (KDFB) zählte. Für dieser Frau erschien jede noch so große Anstrengung selbstverständlich, wenn es um die Bildung von Frauen ging. Tausenden junger Mädchen und Frauen hat sie die Herzen für den Frauenbund geöffnet. Nach 230 Neugründungen von Zweigvereinen setzte das Dritte Reich 1933 ihrem Werk ein Ende. Dennoch konnten sie Bespitzelung, Gestapo-Verhöre und Bombenhagel nicht bremsen. 

Neuanfang

Im Januar 1946 begann sie frohen Mutes, die Landfrauenvereinigung im KDFB neu aufzubauen, musste aber die Position 1947 aus gesundheitlichen Gründen abgeben. Dem Frauenbund bliebt sie treu und sprang immer wieder in der Münchner Geschäftsstelle als Urlaubs- und Krankenvertretung ein und schrieb Beiträge für die Verbandszeitung.

Zu ihrem 75. Geburtstag, im Oktober 1963 würdigte die stellvertretende Landesvorsitzende Lilly zu Franckenstein „die kleine Frau ... als mitreißende Persönlichkeit für die ihre Arbeit stärker als jedes Hindernis ist und war.” 

Beate Bentele