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Weihnachtswort von Diözesanbischof Dr. Rudolf Voderholzer

Weihnachten ist das Fest des Schenkens. Was ist eigentlich ein Geschenk? Was macht einen gewöhnlichen Gegenstand zu einem Geschenk? Das Papier? Die Schleife? Man stelle sich vor: Ein weltweit agierender Online-Handelskonzern macht zu Weihnachten mit einer ganz besonderen Aktion von sich reden. Jeder Mensch über 18 Jahre erhält ein Geschenk frei Haus geliefert. Ob Kunde oder nicht, spielt keine Rolle. Jeder erhält ein für ihn passendes Geschenk. Bei mir würde es wohl eine CD der Domspatzen sein. Würde ich mich über dieses Geschenk freuen? Wenn der unwahrscheinliche Fall einer solchen Aktion eintreten würde, wäre ich wohl eher beunruhigt als erfreut, weil ein für mich sehr undurchsichtiger und unpersönlicher Konzern derart in mein Leben eindränge. Das Geschenk würde vielleicht meine Habgier befriedigen, aber es würde sicher nicht mein Herz berühren.

Geschenke an 
Weihnachten

Warum freuen wir uns eigentlich über eine CD, geschenkt von einem lieben Menschen? Warum freuen wir uns über ein Geschenk eines lieben Menschen sogar dann, wenn wir den Gegenstand bereits selber haben? Weil die Freundschaft und die Zuneigung des Gebers das eigentliche Geschenk sind; auf die Sache kommt es da gar nicht mehr so sehr an. Im Fall der nun zweifach vorhandenen CD: Sie freuen sich über das Zeichen, und auch, dass der andere sich so sehr in Sie hineingedacht hat, so gut überlegt hat, dass er genau das für Sie ausgesucht hat, was Sie sich selber schon gekauft hatten. Ja, darauf kommt es an, der Geber selber ist die Gabe. Der Geber selber ist das Geschenk! Die CD kann man kaufen, aber nicht die Zuwendung, die Freundschaft, die gute Beziehung, die sich darin ausdrückt. So gesehen ist jedes wahre Geschenk eine Quelle von Glück und Freude. Der Geber macht das Geschenk zum Geschenk (der Geber ist die Gabe).

Der Geber ist die Gabe

Damit nähern wir uns dem wahren Geheimnis von Weihnachten, das unsere christliche Existenz mehr als alles andere prägt. Das erste Weihnachtsgeschenk der Weltgeschichte, das Urgeschenk selbst ist nicht in Papier und Schleife eingewickelt, sondern in Windeln. Das Urgeschenk von Weihnachten liegt nicht auf dem Gabentisch oder unter dem Christbaum, sondern in der Krippe und in den Armen der Gottesmutter. Bevor die Menschen sich beschenken, hat ein anderer sie schon beschenkt. Auf vielerlei Weise hatte Gott die Welt und die Menschen beschenkt. Wir verdanken ihm unser Leben, die Wunder der Schöpfung, die er unserer Sorge anvertraut hat. Als aber die Zeit erfüllt war, verschenkt Gott sich selbst, in seinem Sohn Jesus Christus! Der Höhepunkt und der Inbegriff allen Schenkens! Frei, unverfügbar und unbezahlbar. Der Geber ist die Gabe.

Gott schenkt nicht dies und das, er schenkt sich selbst, um ganz bei uns zu sein: um uns seine unverbrüchliche Liebe und Zuwendung zu zeigen. Das Kind in der Krippe: Gottes Beziehungsangebot schlechthin. Dieses Geschenk kommt behutsam, nicht demütigend, sondern selbst demütig. Es reizt uns nicht zur Revanche, sondern zur behutsamen Annahme. Wie sollten wir uns auch für das Geschenk Gottes, seinen Sohn, jemals revanchieren können? Das Geschenk ist so groß, und doch macht es uns nicht klein und beschämt uns nicht, sondern es macht uns groß und gibt uns die Chance, es anzunehmen und ihm zu antworten. Wenn wir das Geschenk Gottes annehmen, werden wir nicht zu Schuldnern, sondern wir werden dazu befreit, uns selbst an andere Menschen, an Aufgaben und wirkliche Ziele im Leben hinzugeben. Gott macht uns durch sein Geschenk fähig, anderen ihre Schuld zu vergeben.
Die wichtigsten Dinge im Leben gibt es nicht zu kaufen, wir können Sie nicht machen und nicht erzwingen. Wir dürfen sie uns schenken lassen. Gratis, umsonst, aus Gnade ...
Weihnachten feiern heißt bekennen: Gott schenkt sich selber dieser armen Welt!

Dankbare Annahme als angemessene Reaktion

Die angemessene Reaktion auf ein wahres Geschenk ist die dankbare Annahme, nicht das Sinnen auf Revanche. Wer beispielsweise die Advents- und Weihnachts-CD von den Regensburger Domspatzen geschenkt bekommt, wird dieses Geschenk nicht beantworten, indem er dem Geber 15 Euro zurückgibt, sondern indem er beim Hören der CD dankbar an den lieben Menschen denkt, der sie ihm geschenkt hat, und ihn einmal besucht oder ein kleines Gebet für ihn spricht. Wahre Geschenke verpflichten nicht, sondern stiften Beziehung.

Die Einladung Gottes
 an jeden Menschen

An Weihnachten sind wir wieder neu eingeladen, von Herzen Dank zu sagen für das göttliche Entgegenkommen. Die Botschaft von Weihnachten soll bis in den letzten Winkel dieser Erde dringen. Sie ist der einzig wirkliche Trost für diese Welt voll Finsternis und Todesschatten. Mit dem Brauch des Schenkens ist der Wunschzettel eng verbunden. Wir tun gut daran, ihn nicht mit Dingen zu füllen, die uns letztlich nur belasten und um uns selber kreisen lassen. Bitten wir in diesen Tagen um den Frieden, den die Welt nicht geben kann, den nur der schenken, zu dem die Welt nur der befreien kann, dessen Geburt wir an Weihnachten feiern. Lassen Sie uns auch darum bitten, dass sich alle Menschen dieses Geschenk zu Herzen nehmen, Frieden im eigenen Herzen einkehren lassen und dann mithelfen, dass Friede werde, ... immer mehr.

Diesen Frieden wünsche ich allen Leserinnen und Lesern zu Weihnachten und für das neue Jahr.

Ihr Bischof Rudolf
Bischof von Regensburg