Der Beichtzettel: Vom Kontrollinstrument zum kulturhistorischen Sammelobjekt

Wertvolles Papier zur Osterzeit

REGENSBURG – Vornehmlich zur Beichte in der österlichen Zeit gibt es sie noch heute: „Beichtbildchen“ beziehungsweise „Osterbildchen“ werden jene Druckerzeugnisse genannt, die nach dem Empfang des Sakraments der Versöhnung die Gläubigen vielerorts ausgehändigt bekommen. Diese Bildchen sind von der Größe her als Einlage ins Gesang oder Gebetbuch gedacht. Auf der Vorderseite ist meist ein Heiligenbild, ein Bildnis Jesu oder ein Marienbildnis, auf der Rückseite ein geistlicher Text als Anleitung zum Gebet des Gläubigen und die Daten aufgedruckt. Was heute frommer Besinnung und dem Gebet dienen soll, hatte vor allem in ländlichen Gebieten bis ins 20. Jahrhundert als kirchliches Kon­trollinstrument eine gewisse, sich allerdings langsam abschwächende Bedeutung.

Auch wenn die Beichtpraxis der meisten Katholiken heute anders aussieht, sind nach wie vor laut Kirchengebot alle Gläubigen dazu verpflichtet, mindestens einmal im Jahr die Beichte abzulegen. Der Termin muss nicht zwingend an Ostern sein, aber in der Praxis bietet es sich an. Ein weiteres Kirchengebot verpflichtet die Gläubigen nämlich, einmal im Jahr – uns zwar während der Osterzeit – die Kommunion zu empfangen. Das macht man am besten „frisch gebeichtet“. Früher wurde das mancherorts streng kontrolliert und die Gläubigen mussten nach Ostern mit einem Beichtzettel den Empfang des Bußsakramentes nachweisen.

Kirchengebot verpflichtet

Die Verpflichtung zur einmaligen Beichte pro Jahr geht auf das Vierte Laterankonzil von 1215 zurück. Das Konzil von Trient (1545 bis 1563) griff diese Regel auf und verschärfte sie. Seither gibt es die als Beichtzettel bezeichneten vom Beichtvater ausgestellten Bescheinigungen einer abgelegten Beichte. Vor allem ab der Gegenreformation spielten die Beichtzettel als Kontrollinstrument eine bedeutende Rolle. In der Rekatholisierung wollte man die Gläuibigen wieder an die Sakramente binden. Dazu musste deren Empfang überprüfbar gemacht werden. Beim Bußsakrament erfolgte dies über die Ausstellung von Beichtzetteln durch vertrauenswürdige Geistliche, meist Dominikaner und Franziskaner. Die Praxis sah so aus, dass nach der Osterbeichte der Priester dem Beichtenden ein Bildchen mit umseitigem lateinischen Text zum Nachweis der abgelegten Beichte aushändigte. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts waren diese Bildchen, die meist einen inhaltlichen Bezug zu Ostern hatten, mit landessprachlichem Text versehen und wurden flächendeckend eingeführt. Sobald die Fastenzeit vorbei war, führte man in den Pfarreien die Beichtzettelsammlung oder „Seelenbeschreibung“ durch. Dazu ging der Pfarrer durch den Ort und kontrollierte die Haushalte, indem er jeweils einen abtrennbaren Abschnitt von den Beichtzetteln als Beleg einsammelte. Wo der Pfarrer nach dem Osterfest nicht von Haus zu Haus ging, um diese Belege einzufordern, war es meist die Hausfrau, die diese Bestätigungen von allen Mitgliedern der Hausgemeinschaft einsammelte und dem Pfarrer überbrachte. Dabei erhielt der Geistliche meist kleinere Geldbeträge – Beichtkreuzer, Beichtpfennige oder Beichtgroschen genannt – oder Naturalien wie zum Beispiel Eier als Gabe.

Die Sammlung Hildebrand

Solche alten Beichtzettel mit Quittungscharakter stellen heute ein Objekt kulturhistorischer Sammlertätigkeit dar. Ein riesiges Konvolut besitzt auch Marianne Hildebrand aus Regensburg, die als Sammlerin vor allem von Sterbebildern in der Stadt und darüber hinaus in der Region bekannt ist. Aus 30 Jahren Sammelleidenschaft von Sterbebilder sind die Beichtzettel gleichsam ein „Mitläufer“. Bei Haushaltsauflösungen wissen die Angehörigen zum Beispiel der verstorbenen Oma meist nicht, was sie mit solchen über Jahrzehnte gesammelten „Schätze“ anfangen sollen. Da bietet sich Marianne Hildebrand als Abnehmer an. Oft bekam sie ganze Schachteln voll mit Sterbebildchen, Beichtzetteln oder Primizbildchen. Gelegentlich lag auch ein Rosenkranz oder ein Wachsstock mit dabei. 

Die meisten von Hildebrands Osterbildchen stammen aus den Jahren 1929 bis heute und dokumentieren die Geschichte der Beichtzettel im Wandel der Zeit. Unter den inzwischen Tausenden gesammelter Objekte sind aber auch sehr alte Beichtzettel, der älteste stammt aus dem Jahr 1861. Und auch auf weitere Besonderheiten weist die Sammlerin hin: Da gibt es Zettel zur Erstbeichte mit handschriftlich ausgefüllten Namen, durchnummerierte Beichtzettel oder solche mit abtrennbarem Kontrollabschnitt, oder auch Beichzettel von Soldaten aus den Kriegsjahren, als „Militärbeichte“ oder „Ostern im Felde“ betitelt. Besonderheiten sind aber auch abgestempelte Beichtzettel oder solche mit speziellen Ablassgebeten.

Im Schwarzhandel

Was heute kulturhistorisch wertvoll erscheint, war zuvor im Jahr der Ausgabe bereits ein begehrtes Objekt. Denn seit Bestehen der Beichtzettel-Praxis gab es auch Leute, die sich trotz oder gerade wegen der Kontrolle um die Osterbeichte drücken wollten. So etablierten sich bald einige kuriose Wege, um an Beichtzettel zu kommen, ohne selbst bei der Beichte gewesen zu sein. Glücklich schätzen konnte sich da ein Mann, wenn seine Ehefrau, um den guten Ruf der Familie zu wahren, vor Ostern in der Nachbarpfarrei oder in einem Kloster nochmals die Sünden bekannte und auf diese Weise einen Beichtzettel für den Ehemann ergatterte. Auch soll es teilweise zu einem regelrechten Schwarzhandel mit Beichtzetteln gekommen sein, wenn Mesner solche „unter der Hand“ vekauften oder fleißige Beichtgeher sie an interessierte Mitchristen veräußerten. Auch wurden bis in die 1960er Jahre durch die Gläubigen Beichtzettel über die Pfarreigrenzen hinweg beschafft, wenn in der Nachbrpfarrei keine Kontrollen erfolgten. Auch unter diesem Aspekt lassen sich die Sammelobjekte von Marianne Hildebrand als „wertvoll“ betrachten.

Stefan Mohr