Geboren in Fürth

Ex-US-Außenminister Henry Kissinger wird 100 Jahre alt

Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister und Buchautor, vollendet am Samstag, 27. Mai, sein 100. Lebensjahr. Trotz zahlreicher Auszeichnungen, darunter der Friedensnobelpreis 1973, ist Kissingers politisches Wirken bis heute umstritten. Teils scharfe Kritik gibt es vor allem an seiner Rolle im Vietnamkrieg, der 1975 endete, und beim Sturz von Chiles Präsident Salvador Allende 1973.

Geboren wurde Kissinger im fränkischen Fürth, wo er mit seinem jüngeren Bruder Walter (1924-2021) aufwuchs. Die Familie bekannte sich zum orthodoxen Judentum; Vater Louis war Lehrer, für stabile finanzielle Verhältnisse sorgte die aus wohlhabendem Hause stammende Mutter Paula.

Angesichts der wachsenden Verfolgung von Juden durch das NS-Regime verließen die Kissingers im Sommer 1938 Deutschland und wanderten in die USA aus - kurz vor den als "Reichskristallnacht" bezeichneten Novemberpogromen. Im Rahmen seines Militärdienstes in der US-Armee von 1943 bis 1946 kehrte Kissinger zeitweilig in sein Geburtsland zurück.

Nach dem Zweiten Weltkrieg schlug er zunächst eine akademische Laufbahn ein, bevor er sich der Politik zuwandte. Als Berater für Außen- und Sicherheitspolitik und als Außenminister war er einer der wichtigsten Protagonisten in der Ära von Präsident Richard Nixon (1969-1974). Nachfolger Gerald Ford (1974-1977) beließ Kissinger im Amt des Außenministers.

Auch nach dieser Zeit blieb der bestens vernetzte Politiker ein gefragter und einflussreicher Gesprächspartner. Mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine sagte er in einem soeben veröffentlichten "Zeit"-Interview, er glaube nicht, dass Kreml-Chef Wladimir Putin Atomwaffen einsetzen werde, um seine Eroberungen in der Ukraine zu verteidigen. "Aber je mehr es um den Kern der russischen Identität geht, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er es tut."

Inzwischen sei er dafür, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, sagte Kissinger weiter. Putin nach dem Krieg vor dem Internationalen Strafgerichtshof den Prozess zu machen, halte er dagegen für eine schlechte Idee. "Weil es unmöglich ist, oder sehr viel schwieriger, einen Krieg zu begrenzen, wenn man den Ausgang des Krieges mit dem persönlichen Schicksal eines politischen Führers verknüpft." Was Putin tue, sei illegal und falsch. "Aber wir müssen alles dafür tun, dass eine Ausweitung des Krieges verhindert wird. Und es muss für die Zeit nach dem Ende des Krieges sichergestellt werden, dass die Feindseligkeiten nicht unbegrenzt weitergehen."

Kissinger ist Vorsitzender von Kissinger Associates, einem international tätigen Beratungsunternehmen. Im vergangenen Jahr erschien sein jüngstes Buch "Leadership. Six Studies in World Strategy" (deutscher Titel: "Staatskunst. Sechs Lektionen für das 21. Jahrhundert"). Darin veranschaulicht er am Beispiel von sechs Spitzenpolitikern wie Konrad Adenauer und Margaret Thatcher seine Vorstellungen von Führung in Umbruchs- und Krisenzeiten.

In Kissingers Geburtsort Fürth wird zum 100. Geburtstag eine Erinnerungstafel enthüllt. Er fühle sich der Stadt immer noch verbunden, sagte der Politiker der "Zeit". Er werde im Juni nach Europa reisen, nach London, und danach auch einen Abstecher nach Fürth machen, um das Grab seines Großvaters zu besuchen.

KNA

26.05.2023 - Jubiläum , Politik , USA