Biblische Botschaft auf dem Kirchenboden

Jahr für Jahr und Korn für Korn

Der See Genezareth ist ein Gemisch aus Basmatireis, hell- und dunkelblauem Rittersporn, Hibiskus und Maisgrieß. Die Palmen ziehen ihre Grüntöne aus den Blättern von Buchsbaum und Haselnuss. Der römische Soldat besteht aus Blaumohn, Milchreis, Chiasamen, Amaranth, Goldhirse und Olida, sein Helm aus roten Rosen und Geranien. Den Bart des großen Manns färben Sago, Amaranth und Japanhirse. 

Was kurios klingt, ist eine sehr kleinteilige, aufwendige Arbeit. Und die machen sich die Menschen im hessischen Sargenzell schon zum 32. Mal. Seit 1988 präsentieren sie jedes Jahr einen Früchteteppich, der ein berühmtes Gemälde nachbildet. Ursprünglich sammelte der Förderverein auf diese Weise Spenden für die Renovierung der abrissgefährdeten alten Kirche, in dem Ort bei Fulda. Nun kommen die Spenden karitativen Projekte zugute.

Berufung mit Botschaft

Die Vorbereitungen beginnen zeitig: „Im April jeden Jahres entscheiden wir über ein entsprechendes Motiv und Bild“, sagt Brigitte Lindner vom 1989 gegründeten Förderverein Alte Kirche Sargenzell. „Heike Richter, die künstlerische Leiterin des Projekts, hat uns drei Vorschläge unterbreitet und wir haben uns für ‚Die Berufung des Levi‘ entschieden.“ Beratung erfährt der Verein auch durch das Kloster Hünfeld. 

„Bei der Auswahl achten wir darauf, dass das Bild eine Aussage in die heutige Zeit bringt“, erläutert Lindner. In Bezug auf die Berufung des Levi sagt Jesus den Pharisäern: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken“ (Mk 2, 17). Das Aquarell des englischen Malers William Hole (1846 bis 1917) sei ein Beispiel für die heutige Zeit, meint Lindner. Die vom Weg Abgekommenen brauchen Hilfe.

140 Körner-, Kräuter-, Blätter- und Blütenarten

Für das Kunstwerk stehen etwa 140 Körner-, Kräuter-, Blätter- und Blütenarten zur Verfügung. Vieles kommt aus den Vorjahren, anderes aus Materialspenden oder wird zugekauft. „Blüten und Blätter sammeln und trocknen wir selbst“, erzählt Lindner. „Manches bekommen wir auch von Bewohnern aus unserem Ort, die uns sehr unterstützen.“ 

Am Teppich arbeiten die Vereinsmitglieder dann von Anfang Juni bis Mitte August.  Heike Richter hat das Bild vorher aufgemalt, das erleichtert das kleinteilige Legen der Körner. 26 Quadratmeter groß wird das Kunstwerk am Ende sein – fast so groß wie eine kleine Wohnung. Man mag sich nicht ausmalen, wie viele Körner und Pflanzenteile dafür durch die Hände der Mitwirkenden gehen.

Arbeit auf Knien

„Wir haben einen Stamm von 14 bis 16 Helfern“, sagt Lindner. Von ihnen sind immer zehn anwesend. Sieben knien sich in die Arbeit am Teppich und drei sortieren Körner vom Vorjahr, die eventuell benötigt werden. Einige der Helfer wirken schon 20 Jahre mit, andere sind erst seit zwei Jahren dabei. Und warum machen sie mit? „Sie sehen, was sie mit ihren Händen schaffen können“, erklärt Lindner. „Wir haben eine tolle Gemeinschaft.“ 

Die zahlreichen Besucher, die jedes Jahr in die Kirche strömen, um den Teppich zu bewundern, entschädigen für die Mühe und die eingeschlafenen Knie beim Legen des Bildes. Etwa 60 000 Menschen – zum Teil auch aus dem Ausland – lockt der Teppich aus Körnern, Blüten und Blättern jährlich in die Kirche. Acht Wochen, in denen das Werk Früchte trägt.

Lydia Schwab

Hinweis

Der 32. Früchteteppich ist noch bis 3. November täglich von 9 bis 18 Uhr in der „Alten Kirche“ Hün­feld-Sargenzell zu sehen. Gruppenanmeldungen unter Telefon 06 652/180195. Im Internet unter www.fruechteteppich.de.