Hinweise zur Bußpraxis in der Fastenzeit

Einladung zur Vorbereitung auf die Feier der drei österlichen Tage (Triduum Paschale)

Die Feier der drei österlichen Tage (Triduum paschale) ist das höchste und älteste Fest der gesamten Christenheit. An ihm feiern wir die Auferstehung unseres am Kreuz gestorbenen Erlösers: Auferstehung Jesu Christi bedeutet nichts weniger als die endgültige Überwindung des Todes, – neuschöpferisches Handeln Gottes gleichsam, das ein Leben in ungeahnter Qualität verheißt (vgl. Röm 6,4; 2 Kor 5,17). Der Glaube an die Auferstehung von den Toten und das ewige Leben in Gottesgemeinschaft bildet den Kern unseres christlichen Glaubens. Aus freien Stücken ist Gott Mensch geworden und hat bis hinein in den schmerzlichen Tod am Kreuz das Geschick des Menschen geteilt. Des Menschen Schuld hat er auf sich genommen, um ihm eine völlig neue Perspektive zu schenken: das Leben mit Gott in all seiner Fülle. So verspricht Jesus den Seinen: "Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. ... Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin." (Joh 14,2 f.)

Dieses Angebot des dreieinen Gottes, im Heiligen Geist und durch Jesus Christus die Menschen mit sich zu versöhnen, durchwirkt schon hier und jetzt unser ganzes Leben.

Fastenzeit – Österliche Bußzeit

Wir alle sind durch die Taufe in eine ganz besondere Lebensgemeinschaft mit Christus und seiner Kirche aufgenommen. Man könnte auch sagen: Durch die Taufe wird eine Schicksalsgemeinschaft mit Christus begründet. Der Apostel Paulus formuliert es noch prägnanter: "Wisst ihr denn nicht, dass wir, die wir auf Christus Jesus getauft wurden, auf seinen Tod getauft worden sind? ... Wenn wir nämlich mit der Gestalt seines Todes verbunden wurden, dann werden wir es auch mit der seiner Auferstehung sein." (Röm 6,3.5)

Um diesem Glaubensgeheimnis näher zu kommen, braucht es Konzentration und Zeit. Daher rät die Kirche allen Gläubigen schon seit frühesten Tagen, sich gezielt auf jenes bedeutsame Fest einzustimmen: Mit dem Aschermittwoch beginnen die vierzig Tage der Vorbereitung auf das Osterfest, welche mit dem Karsamstag enden, wobei die Sonntage ausdrücklich ausgenommen sind. Doch warum vierzig Tage und Nächte? Die Zahl 40 steht in der Bibel häufig in Verbindung mit einer Zeit der Vorbereitung: Vierzig Jahre wanderte das Volk Israel durch die Wüste, ehe es in das Land der Verheißung geführt wurde, – vierzig Tage verbrachte Mose auf dem Berg Sinai, ehe er mit den Zehn Geboten zum Volk Israel zurückkehrte, – vierzig Tage wanderte Elija zum Gottesberg Horeb – und Jesus fastete vierzig Tage in der Wüste, ehe er die Botschaft vom anbrechenden Reich Gottes öffentlich verkündete und durch sein Wirken bezeugte.

In Verbindung mit Gebet und Besinnung ist das Fasten – also der Verzicht bzw. die Einschränkung der Nahrungsaufnahme – in vielen Religionen eine bewährte Methode, den Lebensstil so zu ändern, dass sich ein größerer Raum öffnet für die Begegnung mit dem ganz Heiligen.

Konsequenterweise bilden (1) Gebet, (2) Fasten und Verzicht sowie (3) Freigebigkeit (Spenden) und Fürsorge (Nächstenliebe) drei ineinander verschränkte Elemente dieser Einstimmung.

1) Gebet

Das Gebet, das Jesus uns zu beten lehrte (Vaterunser), und jedes andere echte Gebet ist immer schon Antwort auf den Anruf Gottes an jede Einzelne, jeden Einzelnen von uns. Ehe wir uns also – aus welcher Motivation heraus auch immer – zum Gebet entschließen, sind wir von Gott bereits eingeladen, mit ihm ins Gespräch zu kommen. Die Fastenzeit sollte Anlass sein, dafür empfänglich zu werden und diese Gesprächseinladung vermehrt anzunehmen. Der Möglichkeiten sind viele und jeder Lebenslage anpassbar. Gott ist jedes Gebet willkommen: das private Gebet in aller Stille und für sich – oder das gemeinsame Gebet in der What'sApp-Gruppe Einfach gemeinsam beten – oder die Exerzitien im Alltag – oder vor Ort in der Feier von Tagzeitenliturgie (vgl. GL 613 ff.) – oder in Andachten (vgl. GL 672 ff.; 894 ff.) – oder im Rosenkranzgebet und weiteres mehr. Schlagen wir Gottes Einladung nicht aus, lassen wir ihn nicht warten! 

2) Fasten und Verzicht

Wer so mit Gott verstärkt ins Gespräch kommt, wird in einer vom Überfluss dominierten Gesellschaft wie der unsrigen feststellen, dass weniger manchmal mehr sein kann: weniger Input von außen, weniger Streben nach Genuss und Anerkennung, dafür aber Konzentration auf Wesentliches. Nämlich: Dass Gott selbst in Gestalt des Sohnes in diese Welt gekommen ist, um alle mit sich zu versöhnen, – jede und jeden Einzelnen von Ihnen und auch mich.

Religiös motiviertes Fasten und Verzicht sind daher weder unter dem Aspekt von Leistung noch unter der Rubrik 'Gesundheit und Wellness' zu verorten. Vielmehr sollen dadurch Freiräume entstehen, die einer Vertiefung unserer in der Taufe begründeten Christusbeziehung dienen. Nach diesem Kriterium sollte auch unser Vorsatz zum Verzicht ausgewählt und möglichst konsequent umgesetzt werden.

Das Fasten selbst beinhaltet eine spürbare Reduktion von Nahrungs- und Genussmitteln. Dabei sind für das Fasten bewährte und stimmige Regeln zu beherzigen: Vom Fasten ausgenommen sind Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und ältere Menschen über 60 Jahren, Kranke, Reisende, am fremden Tisch Eingeladene oder Personen, die schwere körperliche Arbeit verrichten. Fasttage sind alle Werktage der Fastenzeit. An allen Freitagen der Fastenzeit gilt – wie auch sonst im Kirchenjahr, sofern nicht ein Hochfest gefeiert wird – zusätzlich der Verzicht auf Fleischspeisen (Abstinenz). Diese Abstinenz soll schon ab dem 14. Lebensjahr praktiziert werden und uns regelmäßig daran erinnern, dass Jesus Christus an einem Freitag sein Leben für uns hingegeben hat und wir durch diesen kleinen Verzicht die Bereitschaft signalisieren, uns in seine Lebenshingabe mit hineinnehmen zu lassen. Dies gilt insbesondere für den Aschermittwoch und den Karfreitag: Angesichts ihrer Bedeutung sind sie besonders strenge Fast- und Abstinenztage. Wer freilich nur den Buchstaben dieser kirchlichen Regel berücksichtigt und stattdessen Fischdelikatessen oder Ähnliches genießt, dem wird sich die spirituelle Dimension einer solchen Einschränkung schwerlich erschließen.

Mit der Feier der Osternacht ist schließlich das Ziel aller geistlichen Vorbereitung erreicht; wir erneuern entschieden unser Taufversprechen und halten in dankbarer Freude mit Christus das Ostermahl, – als Vorschein jener beglückenden und unvergänglichen Gottesgemeinschaft am Ende aller Zeiten.

3) Freigebigkeit (Spenden) und Fürsorge (Nächstenliebe)

Fasten und Verzicht setzen unter verschiedener Rücksicht Ressourcen frei. Diese für Bedürftige einzusetzen, ja überhaupt für verschiedenste Nöte in unserem Lebensumfeld sensibel zu werden und nach Möglichkeit zu helfen, bildet ein weiteres Element der Vorbereitung auf das Osterfest. Wenn Gott uns – ohne dass wir darauf den geringsten Anspruch hätten – so unendlich weit entgegengekommen ist, ist es da nicht angemessen, auch unserem Nächsten ein wenig entgegen zu kommen (vgl. Mt 18,21-35)? Bitte nicht vergessen: Die Liebe zum Nächsten ist die Nagelprobe unserer Gottesliebe (vgl. Lk 10,27)!

Jedes Mal, wenn wir in dieser Haltung einem Anderen etwas Gutes tun, bedeutet es einen Widerhall der ungeschuldeten Liebe Gottes zu uns; zu Christus wird uns so der Nächste: "Amen, ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan." (Mt 25,40)

Versöhnung mit Gott

Wer sich – wenigstens in der Vorbereitung auf die Feier der drei österlichen Tage – Zeit nimmt für eine persönliche Standortbestimmung, der wird feststellen, dass auch er hinter der Großzügigkeit des Herrn im Gleichnis vom hartherzigen Schuldner (vgl. Mt 18,21-35) nicht selten erheblich zurückbleibt. Zu Beginn jeder Messfeier bekennen wir ja im Schuldbekenntnis, "dass ich Gutes unterlassen und Böses getan habe". Je größer unsere Schuld ist, desto schwerer werden wir an ihr tragen; sie verdunkelt die Freude am Leben. Doch das muss so nicht bleiben: Durch Jesus Christus steht die Tür zur Versöhnung weit offen. Das Sakrament der Buße und Versöhnung ermöglicht uns Lossprechung und Vergebung von jeder Schuld, wie groß sie auch sein mag, weil Gottes Liebe grenzenlos ist. Unabdingbare Voraussetzung ist freilich die Einsicht in Sünde und Schuld und das damit verbundene Eingeständnis: "Ich wünschte, das nicht getan zu haben – ich wünschte, das nicht unterlassen zu haben – ich wünschte, mich anders verhalten zu haben". Im Gotteslob finden sich verständliche Erklärungen und nützliche Hilfen zur Gewissenserforschung (vgl. GL 593-601). Sehr hilfreich ist zur Vorbereitung auf den persönlichen Empfang des Sakraments der Buße und Versöhnung die Mitfeier eines Bußgottesdienstes oder eines Abends der Versöhnung. Auch die Gewinnung eines Ablasses hatte und hat auf viele Mitchristen eine ermutigende und befreiende Wirkung.

Angesichts der Bedeutung des Osterfestes wäre es wirklich angezeigt, unsere Beziehung zu uns selbst, zu unserem Nächsten, zu unserer Mitschöpfung und zu Gott auf den Prüfstand zu stellen: Lassen wir uns von Gott mit seiner Vergebung beschenken! Dann können wir bei der Feier des Hochfestes der Auferstehung des Herrn umso freudiger einstimmen ins "Gloria", das "Ehre sei Gott in der Höhe".

Hören auf das Wort Gottes

Die gesamte Vorbereitung auf die Feier des österlichen Geheimnisses steht jedoch unter der Aufforderung des Aschermittwochs: "Kehrt um und glaubt an das Evangelium!" (Mk 1,15). Mit anderen Worten: Hört auf das Wort Gottes, hört auf den Mensch gewordenen Logos, hört auf seine frohe Botschaft und richtet euer Leben danach aus. Überwindet euch! Selbstlosigkeit (Kenosis) öffnet den Zugang zum dreieinen Gott, zu seiner Schöpfung, zu unseren Mitmenschen; nicht etwa der (nur zu) verständliche Wunsch nach schrankenloser Selbstverwirklichung.

Nehmen Sie sich also die Freiheit, sich gerade in der Fastenzeit mit Gottes Botschaft zu beschäftigen. Auf der Homepage des Bistums Augsburg finden Sie jeden Tag die aktuellen Tageslesungen und das Evangelium – mit dem Lectio-Divina-Projekt des Katholischen Bibelwerks haben Sie zudem ein thematisch abgestimmtes Konzept zur Hand – und Ihre Heimatpfarreien werden Ihnen, unterstützt von der Bibelreferentin unseres Bistums, gerne helfen, Ihre Zeit für Gottes Wort stimmig zu gestalten.

So gerüstet dürfen wir uns getrost in die Hand jenes biblischen Gottes geben, der den Sohn im Heiligen Geist von der Toten erweckt hat und von dem wir voller Vertrauen erwarten, dass er auch uns von den Toten erwecken und seiner himmlischen Herrlichkeit teilhaftig werden lässt.

Dr. Bertram Meier
Bischof ern. von Augsburg