Faschingsbrauchtum

Am Aschermittwoch ist (fast) alles vorbei

Am Abend des Fastnachtsdienstags, nicht selten auch erst im Verlauf  des Aschermittwoch, macht sich bei den Narren Wehmut breit: Wieder einmal ist das närrische Treiben viel schneller vorbeigegangen, als manch einem lieb ist. Doch das Beste kommt zum Schluss und so wird das närrische Finale vielerorts mit einzigartigen Inszenierungen und Klamauk praktiziert. Dazu gehören schaurige „Trauerumzüge“ sowie das Verbrennen, Begraben oder Ersäufen der jeweiligen Symbolfigur für die Fastnacht. 

Mit solchen feierlichen Brauchhandlungen soll auch dem Letzten ins Bewusstsein gerufen werden, dass die närrische Zeit nunmehr vorbei ist. Beispiel Endingen am Kaiserstuhl: Hier wird die zentrale Figur, der „Jokili“, unter großem Wehklagen auf einer Bahre durch die Straßen getragen und anschließend im Rathausbrunnen versenkt, aus dem man ihn zu Beginn der Fastnacht herausgezogen hatte.In Singen und Weingarten wird die jeweils ortstypische Fastnachtspuppe begraben, in Bad Waldsee wird sie ersäuft und anderenorts verbrannt. 

Verbrannt und ertränkt

Die Symbolfiguren stellen meist männliche Personifizierungen der Fastnacht dar. Auf sie sollen alle Sünden der vergangenen Tage symbolisch abgeladen werden: die Schuld, zu viel getrunken und gegessen zu haben, dass der Geldbeutel leer ist und die Sitten locker waren. Im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstadt geht man bei der Verurteilung und symbolischen Tötung ganz auf Nummer sicher: Hier wird die fastnächtliche Strohpuppe, der „Hasekiel“, verbrannt und anschließend im Neckar ertränkt. 

All die Figuren versinnbildlichen nicht nur die Vergänglichkeit der Fastnacht, sondern überhaupt die Endlichkeit alles Diesseitigen. Damit bewegen sich die Narren in einer sehr alten christlichen Tradition: Der Tod als Folge der menschlichen Narrheit, aber auch die Narrheit des Todes überhaupt, spielte bei der Fastnacht als Schwellenfest vor der erneuernden Fastenzeit stets eine wichtige Rolle. 

Besonders gespenstisch gibt sich der Kehraus in Bad Säckingen am Hochrhein, nahe der Schweizer Grenze. Hier wird die Symbolfigur der Fastnacht – eine als „Böög“ bezeichnete Strohfigur – nach einem abendlichen Trauermarsch dem Flammentod übergeben. Dem „Böög“ zur Seite gestellt ist die Symbolfigur des  klagenden „Hüülers“, der den Zusammenhang zwischen Narrheit und Tod herstellt. Besagte „Hüüler“ ahmen die amtlich bestellten Trauermänner nach, die es bis ins 19. Jahrhundert als Trauergeleit im Badischen gegeben hat. 

Ein Anblick, der zunächst einmal überrascht, ist der des gemeinsamen Geldbeutelwaschens oder gar das völlige  Entleeren und Vorzeigen von Geldbeuteln am Aschermittwoch − also just am ersten Tag der Fastenzeit. Diese Brauchhandlung ist im gesamten Schwarzwald über die Bodensee-Gemeinden bis in die Karnevalshochburgen im Rheinland vielfach belegt. 

Mit ihr soll der Übergang von den allzu verschwenderischen Tagen der Fastnacht zu der erneuernden Fastenzeit verdeutlicht werden. Der Bußwillige soll sich vom „schnöden Mammon“, also von irdischer Habe und allzu weltlicher Gesinnung, lösen und die Sünden des Karnevals fortwaschen, sich reinwaschen eben. Dies stellt eine Voraussetzung für den neuen Anfang der Karnevalisten in der Gemeinschaft der Gläubigen dar.

Zusätzlicher Fastnachtstag

Die Tendenz der Narren, die Abschlussbräuche möglichst weit in den Aschermittwoch hinein auszudehnen, um auf diese Weise noch einen zusätzlichen Fastnachtstag dazuzugewinnen, ist geradezu Programm. Vielerorts, etwa in den Gemeinden der schwäbisch-alemannischen Fastnacht Bad Dürrheim, Schrambeg oder Villingen, geben die Narren die Rathausschlüssel erst im Laufe des Aschermittwochs wieder aus der Hand. 

Auch das gemeinsame Fischessen der Narren am Aschermittwoch als Zeichen des Abschieds von der Fastnacht und des Beginns der Fastenzeit hat mancherorts Tradition. Bereits 1567 wird aus dem südbadischen Säckingen berichtet, dass der Stiftsschaffner von Säckingen für ausreichend „stockfysch“ in den Fastenwochen zu sorgen hatte. Wenn die Zunfträte Säckingens am Aschermittwoch zum Essen zusammenkamen, wurde in der Regel Stockfisch gereicht, in manchen Jahren auch Hering.

Irene Krauß