Ein Jugendlicher aus dem Erzbistum Berlin war einer der letzten deutschen Austauschschüler, der im Zuge der Corona-Krise aus den USA nach Deutschland zurückkehrte. Gut ein Jahr war er in den Vereinigten Staaten gewesen. Sein Vater, unser Autor Rocco Thiede, zieht nach dem ungewöhnlichen Austauschjahr Bilanz:
Als wir unseren Sohn Liborius
in Tegel wieder in die Arme schlossen, glaubten wir kaum, dass dies der viertgrößte Flughafen der Bundesrepublik sein soll. Alles wie ausgestorben! Nahe des markanten sechseckigen Baus gab es reichlich freie Parkplätze. In der Empfangshalle waren kaum Menschen zu sehen. Dabei startete oder landete hier vor gar nicht langer Zeit im Schnitt noch alle zwei Minuten ein Flieger.
Höchste Ansteckungsrate
Nach einem Jahr Auslandsaufenthalt als Gastschüler in den USA kam der fast 17-Jährige aus einem Land zurück, das weltweit die höchsten Corona-Ansteckungsraten und die meisten Todesfälle verzeichnet. Die große Mehrheit der Austauschschüler war schon Monate früher zurückgekehrt. Liborius geht nun wieder auf das Gerhard-Hauptmann-Gymnasium in Köpenick – ausgerechnet jene Schule, welche nach den Sommerferien wegen eines Corona-Falls in der Lehrerschaft als erste wieder schloss.
In die USA war unser Sohn gegangen, um einen neuen Lebensabschnitt zu beginnen, um neue Erfahrungen zu machen und die Sprache und Kultur einer der führenden Weltmächte zu erlernen. Auch seine Geschwister waren schon im Ausland: in Peru und in Minnesota (USA). Dafür beherbergten wir Jugendliche aus Brasilien, Taiwan, Mexiko und Argentinien. Das empfanden wir immer als Bereicherung – auch wenn es nicht selten mit Herausforderungen verbunden war.
Unser Sohn war in zwei verschiedenen Familien in Reno im US-Bundesstaat Nevada zu Gast und ging dort auf die High School. Sein Austauschjahr war nicht mit dem seiner Schwestern zu vergleichen. „Corona haben wir erst gar nicht ernstgenommen“, erinnert sich Liborius. „Wir erfuhren aus dem Fernsehen davon und dachten: Ein Virus aus China, was soll uns das hier am Rande der Wüste Nevadas antun? Aber dann ging es superschnell und wir wurden vom Lockdown überrascht.“
Liborius’ zweiter Gastvater ist in verantwortlicher Position bei der Feuerwehr tätig. So erfuhr die Familie stets aus erster Hand, wie es um das Virus und die Ansteckungsgefahr steht. Das war für uns Eltern in Deutschland ein Grund, unseren Sohn bis zum geplanten Ende des Austauschs in den USA zu lassen. Die Informationen aus erster Hand haben uns bei der Entscheidungsfindung geholfen.
„Schon etwas langweilig“
Durch den „Lockdown“ war auch die „Robert McQueen High School“ geschlossen. Der Unterricht fand übers Internet statt. „In der ersten Zeit war es schon etwas langweilig“, sagt Liborius. Mit seinen Noten konnte sich in dieser Zeit kein Schüler verschlechtern. Tests durften wiederholt, verlorene Punkte wieder ausgeglichen werden. Ohnehin erlebte Liborius den US-Unterricht „im Vergleich zu Deutschland als nicht so anspruchsvoll“. Man müsse „schon richtig dumm sein, um dort nicht zu bestehen“.