1500 Helfer für Israel

Das „beste Mittel gegen Gewalt“

Lennart Meiwes kommt aus Deutschland. Doch im Moment lebt er in Tel Aviv. An vier Tagen pro Woche betreut er in einem Heim Senioren, die aus Mittel- und Osteuropa stammen. Zu seinen Aufgaben gehört auch, mit den betagten Holocaust-Überlebenden Scrabble oder Bingo zu spielen. 

„Am Anfang war es doch sehr ungewohnt, mit Überlebenden der Shoa zu arbeiten“, bekennt der junge Deutsche, der ständig daran dachte, was seine Schützlinge wohl erlebt und durchgemacht hatten. Er sieht es als „Privileg“ seiner Generation, solche Menschen noch treffen und einen Teil ihrer Biografie erfahren zu dürfen. Meiwes verdankt seinen einjährigen Einsatz in Israel „Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“ (ASF). 

Seit November 1961 hat die 1958 gegründete, in Berlin ansässige Organisation über 1500 Freiwillige nach Israel entsandt, an 27 Einsatz­orte, die fünf Arbeitsbereiche umfassen: alte Menschen, Menschen mit Behinderung, Kinder und Jugendliche, Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit sowie Gedenkstätten. In den 1970er Jahren öffnete sich ASF für arabische Projekte innerhalb Israels. 

14 Projektländer

„Einfach machen. Bewirb dich jetzt für einen Freiwilligendienst mit Aktion Sühnezeichen Friedensdienste“, fordert das kurze Video auf der Internetseite der Organisation auf. Diesem Ruf folgen Jahr für Jahr Hunderte und ziehen für zwölf Monate in eines der 14 Projektländer, darunter nach Tschechien, in die Ukraine und Norwegen. Oder eben nach Israel. Dort sind aktuell 21 junge Menschen im Einsatz – immer von September bis September. 

„Markenzeichen“ der Arbeit in Israel sind laut Angaben der Organisation „Kombinationsprojekte“. Die wöchentliche Arbeitszeit wird dabei auf verschiedene Projektbereiche verteilt. Alle Freiwilligen können so einen Teil ihrer Zeit der Begegnung mit Holocaust-Überlebenden widmen und gleichzeitig anderweitig tätig sein. Doch auch in umgekehrter Richtung findet Austausch statt: Im sogenannten „Incoming“-Programm von ASF verlassen junge Israelis ihr Land und leisten einen Einsatz in Deutschland. 

Menschliche Begegnung gegen den Krieg

„Wenn es die Aktion Sühnezeichen Friedensdienste nicht schon gäbe, müsste man sie erfinden“, ist Heinrich Bedford-Strohm, der bisherige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, überzeugt. Menschliche Begegnung hält er für das „beste Mittel gegen Krieg und Gewalt“. Die Friedens­einsätze der jungen Freiwilligen in Polen oder Israel, den Niederlanden oder den USA sind „deswegen ein kleiner, aber nachhaltiger Schritt, um Alternativen zum Einsatz militärischer Gewalt zu entwickeln und zu stärken“.

Coronabedingt findet das ASF-Jubiläum nicht in Präsenz statt. „Wir haben uns für eine rein digitale Jubiläumsveranstaltung entschieden, weil wir Planungssicherheit benötigten und weiterhin benötigen und zu jenem Zeitpunkt noch nicht abzusehen war, ob und unter welchen Bedingungen die Einreise zum Jubiläum möglich sein würde“, erklärt Jan Brezger, ASF-Referent für Freiwilligenarbeit in Israel und Großbritannien.

Via Bildschirm

Zur Jubiläumsveranstaltung via Bildschirm ist eine vierstellige Zahl von Gästen geladen: ehemalige und aktuelle ASF-Freiwillige, Freiwillige aus Israel, ehemalige Teilnehmer und Leiter der deutsch-israelischen ASF-Sommerlager, israelische Projektpartner, der ASF-Freundeskreis in Israel sowie das erweiterte Umfeld von ASF in Israel und Deutschland mit Unterstützern und Spendern. 

Friedemann Paul, heute Professor für Neurologie an der Charité in Berlin, erinnert sich gern an seine Freiwilligenzeit Mitte der 1980er Jahre in Tel Aviv. Er wirkte in einem von jüdischer Seite initiierten Projekt zur Stärkung arabischer Schüler. Die wichtigste Erfahrung für ihn war, „trotz der monströsen deutschen Verbrechen an Juden und Jüdinnen als Deutscher so warmherzig, offen und vorurteilsfrei empfangen worden zu sein“. 

Bis heute ist Paul dankbar für diese Erfahrung. Und dafür, dass er so „ein lebendiges, spannungsgeladenes, aber unglaublich kreatives Land kennenlernen“ durfte.

Johannes Zang

Informationen

zur Aktion Sühnezeichen finden Sie im Internet: www.asf-ev.de.

17.11.2021 - Hilfswerke , Holocaust , Israel