Ein Kinodrama, das sachlich bleibt

„Das gebrochene Schweigen“

Mittelmäßig? Meisterhaft? Die Kritiker sind sich uneins. Am 26. September startet der Film „Gelobt sei Gott“ in den deutschen Kinos. Ein guter Film über skandalöse Missbrauchsfälle in Frankreich? Ein schlechter? Fraglos: ein wichtiger.

Der Titel klingt fromm. Aber er ist vergiftet. Denn er zitiert den Erzbischof von Lyon, Kardinal Phil­ippe Barbarin, der sich im März 2016 öffentlich zu den Vorwürfen gegen den pädophilen Priester Bernard Preynat äußerte. „Gott sei Dank“ – wie man den Originaltitel „Grâce à Dieu“ schlichter übersetzen kann – seien dessen Taten verjährt, verplapperte sich Barbarin. 

Wahrer Hintergrund

Wer nun des höhnischen Titels wegen einen boshaft antikirchlichen Film erwartet, wird eines Besseren belehrt. Drehbuchautor und Regisseur François Ozon orientiert sich an den tatsächlichen Ereignissen und verzichtet auf effektvolle Dramatisierungen. Im Mittelpunkt des Spielfilms stehen drei erwachsene Männer, allesamt in ihrer Kindheit Opfer Preynarts. 

Immer noch in Amt und Würden

Da ist zunächst Alexandre (Melvil Poupaud), gläubig, verheiratet, fünf Kinder. Eines Tages bekommt er mit, dass Pater Preynat, gespielt von Bernard Verley, nach wie vor in Amt und Würden ist und sogar Kinder unterrichtet. Alexandre protestiert bei Erzbischof Barbarin. Der reagiert wohlwollend, greift aber nicht durch. Alexandre macht sich auf die Suche nach weiteren Opfern Preynats. 

Er wird auch fündig, aber erst der Atheist François (Denis Ménochet) bringt Schwung in die Sache. Er ist die treibende Kraft bei der Gründung einer Art Selbsthilfegruppe namens „Das gebrochene Schweigen“. Sie sorgt dafür, dass Strafanzeigen gestellt und die Medien eingeschaltet werden. Mit Erfolg. Es handelt sich wahrlich nicht um den einzigen Missbrauchsfall in Frankreich, aber diesmal trifft einen amtierenden Kardinal der Vorwurf, einen pädophilen Priester zu schützen. 

Schließlich Emmanuel, gespielt von Swann Arlaud. Dem Hochbegabten machen die Gräueltaten Preynats am auffälligsten zu schaffen. Er steckt voller Aggressionen, hat sich nicht unter Kontrolle, schlägt zu. Er sagt, dass er seinem Peiniger niemals verzeihen wird. 

„Gelobt sei Gott“ ist kein mitreißender Film. Viele Szenen kommen eher wohltemperiert daher. Zum Beispiel spricht Alexandre einmal mit seinen Kindern über seine schlimmen Erfahrungen. Unaufgeregt. Er erklärt, warum er ihnen das alles erzählt: „Damit ihr nie Angst habt, zu reden.“ 

Schwer zu schlucken

Oder ein Treffen Alexandres mit Preynat, moderiert von einer Beauftragten des Erzbischofs, Régine Maire (Martine Erhel): Der Priester gibt die Taten zu, bringt jedoch die Bitte um Entschuldigung nicht über die Lippen. Trotzdem wird Alexan­dre genötigt, Hand in Hand mit Maire und Preynat das Vaterunser zu sprechen. 

Maire rät ihm im Nachgang der Begegnung: „Die Wunde wird heilen, wenn wir nicht kratzen.“ Das ist einer von vielen kurzen Sätzen, die einen schwer schlucken lassen. „Wir wussten es alle, wir haben geschwiegen“, gesteht die ehemalige Sekretärin des Erzbischofs Barbarin. Der versichert den Gläubigen: „Sie können der Kirche vertrauen, Ihrem Zufluchtsort.“ 

Geteilter Beifall

Bei der letzten Berlinale hat „Gelobt sei Gott“ einen Silbernen Bären gewonnen, was geteilten Beifall fand. In der Tat ist der 137 Minuten lange Film recht herkömmlich gemacht. Mag schon sein, dass er den Preis seinem brisanten Thema zu verdanken hat, nicht so sehr seiner brillanten Qualität. Sei’s drum. 

"Papa, glaubst du noch an Gott?"

Gelobt sei Gott“ ist ein interna­tional bedeutsamer Spielfilm über den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche. Die Opfer stehen im Zentrum. Und ihr Ringen mit einer zögerlichen, wirklichkeitsfremden, konzeptlosen Kirchenleitung. Die ist sich über die Folgen ihres lauen Handelns nicht im Klaren. Der Film stellt sie vor Augen. Er endet mit der Frage eines Sohnes von Alexandre: „Papa, glaubst du noch an Gott?“ Und der Katholik öffnet sogleich den Mund. Aber er kriegt kein Wort heraus. 

Hubertus Büker

26.09.2019 - Frankreich , Medien , Missbrauch