Kirchen und Kapellen aus vielen Jahrhunderten prägen die Provinz Palencia und ihre gleichnamige Hauptstadt. Der lebendige Glaube der Menschen im Norden Spaniens zeigt sich gerade in der Karwoche, die hier „Semana Santa“ heißt. Seit Jahrhunderten feiert Palencia das Heilsgeschehen eindrucksvoll, authentisch und ohne Touristenandrang. In diesem Jahr fällt die Tradition der Corona-Krise zum Opfer.
80 000 Einwohner hat Palencia, für die heute wie überall in Spanien aufgrund der Virus-Pandemie eine weitgehende Ausgangssperre gilt. Seit dem 15. Jahrhundert wird hier die „Semana Santa“ mit Inbrunst begangen, organisiert von den neun Bruderschaften der Stadt, die jeweils durch ihre spezielle Farbe gekennzeichnet sind. Die Mitgliedschaft in ihnen gilt als so bedeutsam, dass manche Eltern schon ihre Kinder als Mitglieder anmelden.
Die Feiern beginnen traditionell am Mittwoch der Karwoche um 22 Uhr. Um einen günstigen Platz für die Prozession „Luz y Tinieblas” (Licht und Finsternis) zu finden, eilen die Menschen schon ein, zwei Stunden zuvor durch die Stadt. Die Feier beginnt in der Kirche San Agustín. Begleitet von Gebeten wird ein auf dem Kreuz liegender Jesus umhergetragen. Da die Christus-figur nicht nass werden darf, findet die Feier bei Regen in dem Gottes-haus statt.
Am Gründonnerstag starten die Feiern mittags auf dem Rathausplatz. Nach und nach treffen die in ihren Farben gekleideten Bruderschaften ein. Der spitze Kopfputz, der bei Erwachsenen nur einen Sehschlitz freilässt, wirkt befremdlich, hat aber einen einfachen Grund: Niemand soll bei diesen Bußprozessionen erkannt werden.
Rote, grüne und fliederfarbene, dunkel- und hellblaue Gruppen hüllen erst den Rathausplatz und dann die Straßen Palencias in ein festliches Farbenmeer. Falls Regen droht, werden die mitgeführten Figuren mit Plastikplanen vor dem Niederschlag geschützt. Begleitet werden die maskierten Bußgänger von Reitern.
Bei dieser „Procesión del Indulto“ (Prozession der Begnadigung) wird traditionsgemäß auch ein Gefangener vorzeitig freigelassen – in Erinnerung an die Begnadigung des Barrabas durch Pontius Pilatus. Infrage kommt nur, wer kein schweres Verbrechen begangen und den größten Teil der Strafe verbüßt hat. Spaniens Justiz muss der Wahl vorab zustimmen. 2019 fiel die Begnadigung schon einmal aus.
Palencias großartige Kathedrale mit dem reich verzierten Eingangsportal stammt aus dem 14. Jahrhundert. Ihr größter Schatz ist die vom Vorgängerbau übernommene vorromanische Krypta aus dem frühen siebten Jahrhundert – ein mystischer Raum aus westgotischer Zeit. Die jahrelangen Restaurierungsarbeiten an der Kathedrale hätten rechtzeitig zur „Semana Santa“ abgeschlossen sein sollen. Dann kam Corona.
Palencia ist Hauptstadt und größter Ort der gleichnamigen Provinz in der nordspanischen Autonomen Gemeinschaft Kastilien und León. Geschichtsträchtigen Gotteshäusern und Klöstern kann man hier überall begegnen. Eines von ihnen ist das kleine Kirchlein San Juan de Baños. Es weist eine Widmungsinschrift des westgotischen Königs Rekkeswinth (653 bis 672) auf und gilt als älteste sicher datierbare Kirche Spaniens.
Als Startpunkt für eine Erkundung eignet sich das Städtchen Aguilar de Campoo, gelegen an einer der Routen des Jakobswegs. Ein Blick vom Felsenhügel Peña Aguilón mit seiner Burgruine aus dem zwölften Jahrhundert zeigt, wie sich die Häuser scheinbar eng um die Kollegiatskirche San Miguel scharen. Tatsächlich steht die Kirche, deren Ursprung ins elfte Jahrhundert zurückreicht, frei und wuchtig am Ende der breiten Plaza Mayor. Das Gotteshaus ist heute unbestritten der geistige Mittelpunkt der Stadt.
Historisch von großer Bedeutung für Aguilar de Campoo war das Kloster Santa María la Real. Seit 1155 lebten dort Prämonstratenser-Mönche. Wie alle Klöster Spaniens wurde es 1835 aufgelöst. Bis 1977 stand es leer und drohte zu verfallen. „Leute aus dem Ort sorgten mit wenig Geld und viel Engagement für die Rettung. Sogar der zerstörte Kreuzgang wurde wieder erbaut“, sagt Jaime Nuño González, Direktor des Forschungszentrums Romanik der Stiftung Santa María la Real.
Ein Teil des Klosters dient heute als Schule. Aus den einstigen Mönchszellen wurden Klassenzimmer. Die rückseitigen Räume nutzt die „Posada Santa María La Real“, ein Sterne-Hotel, das mit historischem Ambiente und exquisiter Küche überzeugen will.
Vom Storch beäugt
In der Abtei Santa María y San Andrés in dem kleinen Dorf Sant-ibáñez de Ecla leben heute wieder elf Zisterzienserinnen. Die älteste von ihnen führt die Gäste durch das Kloster, das auch als San Andrés de Arroyo (heiliger Andreas am Bach) bekannt ist. Nach der Führung strebt sie in den Kreuzgang – aufmerksam beäugt von einem Storch, der auf dem Glockengiebel sein Nest aufgeschlagen hat.