Von Afrika um die Welt

Die Angst vor der schwarzen Axt

Haben Sie schon einmal eine E-Mail von einem Prinzen aus Nigeria erhalten, der sein Vermögen mit Ihnen teilen will? Oder von einer verschollenen Großtante, die Ihnen ihr Grundstück auf den Bahamas vermachen will? Selten ist es klug, auf solcherlei Betrugspost zu antworten. Wer es dennoch tut, könnte nicht nur seine Ersparnisse verlieren, sondern ohne es zu ahnen ein global agierendes Mördernetzwerk finanzieren. 

Die „schwarze Axt“ ist berüchtigt in Nigeria. Gegründet wurde die Gruppe „Black Axe“ vor mehr als 40 Jahren als Studentenbewegung in der nigerianischen Stadt Benin. Seitdem zieht sie eine Blutspur durch die Universitäten des westafrikanischen Landes. Während sie ideologisch in der Anti-Kolonial-­Bewegung und im Panafrikanismus wurzelt, ist sie heute als mafiöser Kult gefürchtet. 

Blutige Aufnahmerituale gehören ebenso zum Werdegang der „Axtmänner“ wie die Verehrung einer eigenen Gottheit. Weit weniger spirituell sind ihre Methoden: Black Axe finanziert sich durch Internetbetrug. Dabei nehmen die „Axtmänner“ fremde Identitäten an und durchstreifen als junge, hübsche Frauen Partnersuche-Portale oder geben als Finanzberater Ratschläge an potenzielle Investoren. Und das längst nicht mehr nur von Nigerias Universitäten aus.

Manipulative Taktiken

Mehr als 4000 Kilometer südlich von Benin City, in Johannesburg, wurden im Oktober und Dezember bei einer Razzia neun Mitglieder der Black Axe verhaftet. Bei ihnen soll es sich um die Anführer einer Zelle handeln, die von Johannesburg und Kapstadt aus weltweit nach Opfern suchte. „Wenn diese zögerten, Geld zu senden, griffen die Verschwörer auf manipulative Taktiken zurück und drohten etwa damit, sensible persönliche Bilder der Opfer zu verbreiten“, heißt es vom US-Justizministerium. 

Die Verhaftungen folgten auf gemeinsame Ermittlungen durch das US-amerikanische FBI, Interpol und die südafrikanischen Behörden. Umgerechnet sechs Millionen Euro sollen die Täter von ahnungslosen Internetnutzern in Nordamerika erbeutet haben. Darüber hinaus soll der Kapstädter Ableger in Deutschland, Großbritannien und Kanada via E-Mail auf Beutefang gegangen sein. Auch in Italien nahm die Polizei in der Vergangenheit mutmaßliche „Axtmänner“ fest. 

Prostitution erzwungen

Für Deutschland warnt auch ein vetraulicher Bericht des Bundesnachrichtendienstes, aus dem das ZDF zitiert, vor der nigerianischen Mafia. Gruppen wie Black Axe konzentrieren sich demnach hierzulande insbesondere auf Menschenhandel und sexuelle Ausbeutung. „Sie schleusen junge Frauen in Flüchtlingsbooten nach Europa und zwingen sie, dort als Prostituierte ihre Schulden abzuarbeiten“, schreibt das ZDF.

Das erbeutete Geld nährt in Nigeria ein ausgeklügeltes Machtnetzwerk. Das geht unter anderem aus Recherchen der britischen BBC hervor, die Einblick in die Kommunikation zwischen den Betrügern und andere Dokumente erhielt. „Die Rechercheergebnisse zeigen, dass Black Axe im letzten Jahrzehnt zu einer der gefährlichsten organisierten Verbrechergruppen der Welt wurde“, urteilt der Sender. 

Mörderisches Spiel

Wer sich mit ihren Mitgliedern anlegt, erhält bald Todesdrohungen. Etwa: „Die Axt wird deinen Schädel durchbohren.“ Dass sie es ernst meinen, beweisen die „Axtmänner“ in passwortgeschützten Internetforen, wo sie Bilder ihrer entführten und ermordeten Gegner präsentieren wie Trophäen. Oft handelt es sich bei den Opfern um die Mitglieder verfeindeter Burschenschaften. Wie der Zwischenstand beim Fußball prangt unter den Leichenfotos dann das Ergebnis dieses mörderischen Spiels: Black Axe 4 – Pyrates 3. 

Ehemalige Mitglieder und Aktivisten in Nigeria kämpfen gegen die Sekten. Sie wollen Jugendliche davon überzeugen, nicht auf die Anwerbeversuche hereinzufallen. Immer wieder kommt es an Universitäten zu Festnahmen von sich bekriegenden Studentenvertretern. Doch das Problem sitzt tief. Und das nicht nur, weil in Nigeria als Afrikas bevölkerungsreichstem Land Armut, Arbeitslosigkeit und Extremismus grassieren. 

Politiker: Teil der Mafia

„Die Mitgliedschaft zieht sich durch alle Berufe: unter anderem das Militär, den Sicherheitssektor und die Justiz“, sagt Omololu Fagbadebo. Der Politologe stammt aus Nigeria und unterrichtet heute an der Technischen Universität im südafrikanischen Durban. Ihm zufolge missbrauchten Nigerias Politiker die „Axtmänner“ nicht nur als Fußsoldaten, etwa während eines Wahlkampfs – sondern seien längst selber Teil des Mafianetzwerks. 

„Das Problem braucht eine ganzheitliche Lösung. Solange Mitglieder dieser Gruppen in der Regierung sitzen, braucht es einen engagierten, unbeteiligten Anführer, der gegen sie vorgeht“, meint Fagbadebo. Aber so einer ist bislang offenbar nicht in Sicht.

Markus Schönherr/red

25.01.2022 - Afrika , Kriminalität