Beit Sahur liegt nur einen Steinwurf von Bethlehem entfernt. Der Name bezieht sich auf Hirten, die bei ihrer Herde Wache halten. Nach christlicher Tradition ist das Tal, in dem die palästinensische Stadt liegt, jenes „Hirtenfeld“, wo gemäß der neutestamentlichen Erzählung den Hirten die Geburt Jesu verkündet wurde. Heute ist Beit Sahur bekannt für seine Olivenholzschnitzer. In diesem Jahr wurde es deshalb zur „Weltstadt des Kunsthandwerks“ erklärt.
Bereits seit dem vierten Jahrtausend vor Christus wird der Ölbaum im Nahen Osten als Nutzpflanze kultiviert. Bekannt ist er vorwiegend durch seine Oliven und das wohlschmeckende Öl. Der Baum benötigt viel Zeit zum Wachsen, wird bis zu 20 Meter hoch, hat ein sehr robustes Holz und kann mehrere hundert Jahre alt werden. Das Holz ist leicht geadert und wirkt dadurch sehr dekorativ. Eine lange, trockene Lagerung erhöht seine Qualität.
Die große Mehrheit der Einwohner von Beit Sahur sind Christen. Hier wie auch im nahen Bethlehem haben sich Olivenholzschnitzereien seit dem Mittelalter zu einem wichtigen Wirtschaftszweig entwickelt. Italienische Franziskaner professionalisierten die Ausbildung der einheimischen Kunsthandwerker. Heute liefern sie Arbeiten für Kirchen und Klöster wie auch Souvenirs für Pilger ins Heilige Land.
„Die Stadt Beit Sahur ist stark vom Tourismus abhängig und gilt nach Jerusalem und Bethlehem als drittwichtigstes Reiseziel in Palästina“, sagt Jiries Qumsijeh, Sprecher des palästinensischen Tourismus-Ministeriums. „Es gibt dort viele touristische und archäologische Orte, viele Olivenholzwerkstätten sowie Souvenirläden, die Produkte an Pilger und Besucher verkaufen.“
Kulturelles Erbe schützen
Der Welthandwerksrat, eine private Organisation, die der Kulturorganisation Unesco der Vereinten Nationen verbunden ist, hat Beit Sahur zur Weltstadt des Kunsthandwerks 2020 erkoren. Diese Anerkennung fördere den Tourismus in Palästina, hebe die historischen und archäologischen Stätten von Beit Sahur hervor und helfe, das kulturelle Erbe des traditionellen Handwerks zu erhalten, freut sich Qumsijeh. Waren aus Beit Sahur kennzeichnet nun ein spezieller Aufkleber der Unesco.
„Nach der Anerkennung unserer Kunsthandwerkerstadt verlegten wir alle Olivenholzwerkstätten, die sich in den Häusern oder in der Altstadt befanden, in ein spezielles Gebiet, um Umweltverschmutzung und Lärm zu reduzieren“, sagt Stadtratsmitglied Elias Da’is. Eine Berufsschule soll künftig die Verarbeitung von Olivenholz lehren und so den Fortbestand des lokalen Kunsthandwerks sicherstellen.
In den kleinen Werkstätten wird Schritt für Schritt aus einem uralten knorrigen Stück Olivenholz etwas Besonderes: fein gearbeitete Schalen etwa, Anhänger oder Heiligenfiguren. Natürlich gehört der Stern von Bethlehem zum Programm, der Fisch als Symbol für den christlichen Glauben oder die Krippe als Geburtsort. Da die typische Maserung des Holzes stets anders ausfällt, ist jedes Stück ein Unikat mit unverwechselbarem Aussehen.
So traditionell das Handwerk ist, so sehr gehen die Menschen in Beit Sahur bisweilen mit der Zeit: Gegen den bei der Arbeit anfallenden Staub helfen in manchen Betrieben moderne Maschinen mit Absaugeinrichtungen. Anderen stehen zumindest Schutzbrillen und Staubmasken zur Verfügung. Den Krach, den die Holzbearbeitungsmaschine macht, wehren die Olivenholzarbeiter durch Gehörschutz ab.