Die Idee ist einfach: Statt Obdachlose in engen, muffigen Notbehausungen zusammenzupferchen, übernachten sie in Berlin seit geraumer Zeit in einem großen Zeltgewölbe. Dort finden sie Ruhe, Privatsphäre und Platz für alle. Erdacht hat die klimatisierte Winterunterkunft ein Unternehmer aus Österreich. Kurz vor seinem Tod ließ er das Zelt errichten.
32 auf 34 Meter ist die Zelthalle groß, 60 Feldbetten stehen darin. Männer- und Frauenbereiche sind getrennt, draußen befinden sich Dusch- und Toilettencontainer. Es wird Essen und Tee ausgegeben, Streit geschlichtet und Krätze behandelt – wie in jeder Notunterkunft, wo es in den kalten Monaten wegen des Andrangs oft heiß hergeht.
„Wir zwingen niemanden, hier zu übernachten“, sagt Ludwig Grünert, der zum Team der ehrenamtlichen Helfer der Berliner Stadtmission gehört. Jeder Wohnungslose entscheide selbst, wo und wie er die Nacht verbringen möchte. Die Feldbetten stehen auf einer wasserdichten Plane über dem nacktem Pflaster.
Ein permanent surrendes Gebläse verteilt die Heizluft gleichmäßig im ganzen Raum. Der Strom stammt aus Aggregaten, geheizt wird mit Flüssiggas. Umweltverträglich sei dies, sagt Barbara Breuer, Pressesprecherin der Stadtmission. Die Technik misst Windstärke und Außentemperatur und regelt zudem den Luftdruck und die Innentemperatur.
Aus vieler Herren Länder
An diesem Abend tut Gemeindereferentin Sabrina Bieligk in dem Zelt Dienst. „Wir sind kürzlich nach Lichtenberg umgezogen“, sagt sie, in den Osten der Hauptstadt. Anfangs stand das Riesenzelt am Innsbrucker Platz im früheren Westteil der Stadt, wo es nachts wie ein leuchtender Riesenhügel in die Berliner Nacht strahlte.
Von Oktober bis Ende März stehen jeden Tag ab 19 Uhr Gäste in langer Schlange vor der Tür und bitten um Einlass: Menschen aus vieler Herren Länder, meist männlich und oft aus Osteuropa. Einer von ihnen ist der Ukrainer Milosz. Seit vier Jahren lebt der 41-Jährige auf der Straße. Die Ehe mit einer Belgierin ging in die Brüche, sagt er, und in seinem erlernten Beruf als Bäcker konnte und wollte er wegen einer Allergie nicht mehr arbeiten. Für eine Weiterbildung fehlten Milosz der innere Antrieb und wohl auch die nötigen Sprachkenntnisse.