Kaum einer kennt ihn. Und das, obwohl er einen bedeutenden Anteil daran hatte, dass Adolf Hitlers Traum vom „Endsieg“ vorzeitig ausgeträumt war: Marian Rejewski. Durch ihn gelang es dem polnischen Geheimdienst schon vor der NS-„Machtergreifung“, die Verschlüsselungsmaschine Enigma zu knacken und damit in die Nachrichtennetze der Deutschen einzudringen.
Rejewski wurde 1905 im damals deutschen, heute polnischen Bromberg geboren und war von Beruf Mathematiker. Von frühester Kindheit an war er mit der deutschen Kultur und Sprache vertraut. Und: Er war Mitarbeiter des polnischen Geheimdienstes. Schon 1932, vor 90 Jahren also, drangen er und seine Kollegen Henryk Zygalski und Jerzy Różycki ins Innenleben der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma I ein.
Die polnische Regierung war dadurch schon lange vor dem deutschen „Überfall“ am 1. September 1939 über vieles informiert, was sich an ihrer Westgrenze zusammenbraute – allerdings unternahm sie wenig dagegen. Vielleicht wäre mit den Erkenntnissen des Geheimdiensts sogar „Auschwitz schon 1933 absehbar“ gewesen, meint der Berliner Historiker Sven Felix Kellerhoff.
Katholische Kontakte
Im Sommer 1929 hatte Marian Rejewski einige Monate in Göttingen verbracht, dort „Versicherungsmathematik“ studiert und über die katholische Studentenverbindung Palatia Kontakte in akademische Kreise geknüpft. Bei Kriegsausbruch 1939 waren es diese Seilschaften aus Göttingen, die mit dafür sorgten, dass Rejewski und Kollegen nach England fliehen konnten.
In Rumänien und Frankreich fanden sie Unterschlupf in Klöstern und Pfarrhäusern, berichtete später Rejewskis Tochter. Von dort ging es weiter nach Algerien und schließlich 1943 nach Großbritannien. Dort forschten Rejewski und seine Kollegen in Boxmoor weiter, während es dem britischen Militär in Bletchley Park gelang, einen Großteil der deutschen Funksprüche zu entschlüsseln.
Ab 1930 hatte Rejewski an der Universität Posen Mathematik gelehrt und einen vom Innenministerium organisierten Dechiffrierkurs absolviert. Anschließend wechselte er als hauptamtlicher Mitarbeiter des Geheimdiensts ins Referat BS4, der für Deutschland zuständigen Abteilung. Posen, das von 1793 bis 1918 zu Preußen gehörte, bot gute Möglichkeiten, Deutsch sprechende Agenten anzuwerben. Später sollte sich dies als kriegsentscheidend erweisen.
Unweit der Universität erinnert heute eine 2007 feierlich enthüllte Stele an den 1980 verstorbenen Rejewski, dessen Leistungen in Polen erst in jüngerer Zeit gewürdigt werden. Auch in der Heimatstadt Bromberg wird seiner gedacht: Als Statue macht er sich hier auf einer Bank Notizen, während neben ihm eine in Bronze gegossene Enigma liegt.
Das deutsche Militär erkannte den Nutzen der "Enigma"
Der Name der Verschlüsselungsmaschine kommt aus dem Griechischen und bedeutet passenderweise „Rätsel“. Das Gerät war 1923 von Arthur Scherbius entwickelt und von deutschen Militärs schnell als nützlich erkannt worden. Bald verschwand die Enigma deswegen wieder vom Markt. Kurz zuvor war der polnische Geheimdienst noch in den Besitz einer solchen Maschine gekommen.
Dies nutzte ihm aber zunächst wenig, da sich die militärischen Modelle deutlich von den frei verfügbaren unterschieden. Bis Rejewski der Durchbruch gelang und auch die im deutschen Sicherheitsapparat verwendeten Enigmen entschlüsselt wurden, sollte es noch bis 1932 dauern, sagt der Historiker Uwe Puschner von der FU Berlin.
Enigmen, mit der Behörden, Botschaften und die Reichswehr schon zu Zeiten der Weimarer Republik kommunizierten, bestanden im Wesentlichen aus drei Komponenten, die miteinander verdrahtet waren: einer Tastatur für die Eingabe der Klartextbuchstaben, einer Verschlüsselungseinheit aus Walzen und einem Lampenfeld, das die Geheimbuchstaben anzeigte. Entscheidend war die innere Verdrahtung der Verschlüsselungseinheit: Sie bestimmte, wie die Buchstaben verschlüsselt wurden.
Bei der Entschlüsselung half den Polen der französische Geheimdienst, der über einen deutschen Überläufer in den Besitz wichtiger Unterlagen zur Enigma gelangt war. Während Franzosen und Briten kaum Nutzen daraus zogen, waren die deutschen Dokumente für die Codeknacker um Marian Rejewski Gold wert. Sie halfen, die Verdrahtung der Enigma-Schlüsselwalzen zu erschließen.