Israel, Bahrain und die Emirate

Frieden beginnt in den Herzen

Es ist eine Vereinbarung, die es in sich hat: Israel, Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate haben beschlossen, ihre Beziehungen zu normalisieren. Kann man anders als freudig auf ein solches Friedensabkommen reagieren? Die Palästinenser jedenfalls mögen in das allseitige Frohlocken nicht einstimmen. Sie befürchten, nun vollends unter die Räder zu kommen. 

Im Sechs-Tage-Krieg 1967, den Israel als Präventionskrieg begann, eroberte und besetzte der jüdische Staat ein Territorium, das viel größer als das eigene Staatsgebiet war: die Golan-Höhen, die Sinai-Halbinsel, den Gaza-Streifen, das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Drei Monate später erklärte die Arabische Liga ihr dreifaches „Nein“: Keinen Frieden mit Israel sollte es geben, keine Anerkennung Israels, keine Verhandlungen mit Israel.

Zwei der 22 Mitglieder der Liga hatten sich bislang über diese Leitlinie hinweggesetzt: Ägypten und Jordanien. 1978 kam es dank US-Präsident Jimmy Carters Vermittlung zum Friedensschluss zwischen Israel und Ägypten, 1994, abermals durch US-amerikanisches Engagement, unterzeichnete auch Jordanien einen Friedensvertrag mit Israel. 

Alle konnten punkten

Nun haben Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate nach US-Vermittlung mit Israel Abkommen zur Normalisierung ihrer Beziehungen geschlossen. Durch die Zeremonie im Weißen Haus konnten alle punkten: US-Präsident Donald Trump brauchte wegen schwacher Umfragewerte dringend einen Erfolg. Ebenso Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, der sich angesichts seiner umstrittenen Corona-Strategie und einer Anklage wegen Korruption Rücktrittsforderungen ausgesetzt sieht. 

Die Emirate wiederum haben nun freie Fahrt beim Kauf modernster amerikanischer Waffen, etwa des Kampfflugzeugs F-35. ­Strahlende­ Gesichter also auf der Seite der Unterzeichner. Leer dagegen stehen die Palästinenser da. Schon vor der Unterzeichnung hatte Palästinenserpräsident Machmud Abbas die Abkommen als „Verrat an Jerusalem“ bezeichnet. 

„Jetzt ist es offensichtlich, dass arabische Länder willens sind, palästinensische Rechte zugunsten des eigenen wirtschaftlichen Vorteils preiszugeben“, kritisiert Palästinenserin Rula Salameh. Sie ist Öffentlichkeitsreferentin bei der israelisch-palästinensischen Graswurzelbewegung „Just Vision“, die sich für Gleichberechtigung im Heiligen Land einsetzt.

Ähnlich klingt ein offener Brief der christlich-ökumenischen Initia­tive „Kairos Palästina“, gerichtet an US-Bischof David Malloy, den Vorsitzenden des bischöflichen Komitees für internationale Gerechtigkeit und Frieden. Der Bischof von Rockford (Illinois) hatte die Abkommen ähnlich wie US-Präsident Trump als Schritt zum Frieden im Nahen Osten begrüßt. 

Ihrem Schreiben haben die prominenten Unterzeichner, Geistliche wie Laien, eine Aussage aus dem Buch des Propheten Jeremia vorangestellt: „Die Wunde meines Volkes heilen sie oberflächlich, indem sie sagen: Friede, Friede! – Und da ist doch kein Friede“ (vgl. Jer 8,11). Der Brief, schreiben die Vertreter der christlich-palästinensischen Initiative, enthalte „einige Anmerkungen“.

Kern des Konflikts lösen

Diese „Anmerkungen“ haben es in sich: Jeder, der denke, eine gegenseitige Anerkennung zwischen einem arabischen Land und dem Staat Israel sei ein Schritt hin zum Frieden sei, irre sich. Denn gleichzeitig müsste der Kern des Konflikts gelöst werden: „die militärische Besatzung palästinensischen Landes“.

Zu den neun Unterzeichnern gehören der frühere Lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, und der auch in Deutschland bekannte lutherische Pastor Mitri Raheb aus Bethlehem. Sie und die anderen sieben Vertreter der christlichen Minderheit fordern, man müsse den Palästinensern endlich ihre Rechte zugestehen, vor allem das Selbstbestimmungsrecht.  

„Wahrer Friede“, heißt es in dem Brief, „beginnt nicht, wenn man Friedensabkommen mit arabischen Ländern schmiedet.“ Stattdessen sei ein Friedensabkommen mit den Palästinensern nötig. „Echter Friede sollte in den Herzen der Palästinenser anfangen.“ Das beinhalte jedoch, einen palästinensischen Staat auf den verbliebenen 22 Prozent des historischen palästinensischen Landes anzuerkennen. „Es ist eine Frage der Gleichheit zwischen den Völkern, die alle gleich von Gott geschaffen wurden.“

Kritische Töne in Israel

Auch in Israel mischen sich kritische Töne in die allgemeine Jubelstimmung. Anshel Pfeffer attestiert in einem Kommentar für die Tageszeitung Ha’aretz Netanjahu zwar „seine wahrscheinlich größte Leistung“, merkt aber angesichts des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen an: Es gibt keinen Frieden. Kritisch fragt Pfeffer: „Hat Israel mit dem richtigen Volk ein Friedensabkommen geschlossen?“

In derselben Zeitung macht der frühere britische Premierminister Tony Blair, seit 2007 Sondergesandter des Nahost-Quartetts, keinen Hehl aus seiner Begeisterung. Die in Wa­shington unterzeichneten Abkommen seien nichts weniger als „der bedeutsamste diplomatische Durchbruch im Nahen Osten seit einem Vierteljahrhundert“. Blair meint: Das muss man feiern. Den meisten Palästinensern allerdings ist nicht zum Feiern zumute.

 Johannes Zang

22.09.2020 - Nahost , Politik , USA