Gedenktag am 18. September

Der Pater, der in die Luft ging

Fast scheint es, als wolle der Mann im Mönchskleid sein Denkmal als Startrampe nutzen, als Basis zum Flug Richtung Himmel. Barfuß nämlich klammert er sich mit beiden Armen an ein großes Kreuz, das ihm als Triebwerk dienen könnte. 

So jedenfalls verewigte der Schöpfer des Monument vor der Wallfahrtskirche Santa Maria della Grottella im süditalienischen Copertino den größten Sohn der Landgemeinde, der hier im Salento einst mit ekstatischen Flügen von sich reden machte. Als fliegender Pater ging er in die Geschichte ein. Kein Wunder, dass ihn Weltraumfahrer ebenso wie Piloten als Schutzherrn verehren. 

Zu Lebzeiten beschimpfte man ihn als Scharlatan. Seine Vorgesetzten schickten ihn in immer abgelegenere Klöster, um ihn auszubremsen. Das gelang nicht: Heute ist er einer der populärsten Heiligen – nicht nur in seinem Geburtsort, wo gleich mehrere Wallfahrtsstätten und Denkmäler die Erinnerung an ihn wachhalten.

Mitten in der Landgemeinde mit ihren knapp 24 000 Einwohnern steht das Santuario di San Giuseppe da Copertino: ein barocker Bau, den man nach seiner Seligsprechung 1753 über einem Stall errichtet hatte, in dem Giuseppe Maria Desa, so sein bürgerlicher Name, im Juni 1603 geboren wurde. 

Gegenüber der Kirche steht noch das Haus seiner Eltern: eine aus nur einem Zimmer bestehende Wohnstatt. Zu sehen ist dort heute eine Statue Giu­seppes mit Heiligenschein, davor eine Holzbank zum Gebet. An den Wänden erinnern Gemälde an das Leben des Paters, der schon als Achtjähriger ekstatische Visionen gehabt haben soll.

Als Jugendlicher kam der junge Mann bei den Franziskanern in Copertino als Laienbruder unter. Sie legten ihm wegen seines Hangs zu stundenlangen Meditationen vor einem wundertätigen Marienbild in der Klosterkirche allerdings nahe, den Orden schnell wieder zu verlassen. 

Häufig in Ekstase

Danach versuchte Giuseppe bei den Kapuzinern sein Glück. Doch auch in deren Kloster geriet er häufig in Ekstase, was mit dem erneuten Rausschmiss aus einer klösterlichen Gemeinschaft endete. Sein Onkel konnte ihn 1621 zurück ins Kloster nach Copertino bringen, wo er in einer einfachen Zelle Unterschlupf fand und nachts oft stundenlang zur Madonna della Grottella betete. 

„Meine Mutter“ nannte er die byzantinische Ikone, die Mitte des 16. Jahrhunderts in einer Höhle gefunden und so zum Grundstock der heutigen Wallfahrtskirche wurde. Das Bild der Madonna samt Kind findet sich inzwischen am Hochaltar über einem Tabernakel, dessen Tür ebenfalls auf den fliegenden Pater verweist. 

1628 wurde der Franziskaner zum Priester geweiht, was seine Ekstasen beflügelte. Auch Wunder wurden ihm zugeschrieben. Er habe Lahme gehen und Blinde sehen lassen und den Teufel ausgetrieben. Viele dieser Geschichten fasste Domenico Andrea Rossi 1767 in einem Buch zusammen. 

Der Biograf dokumentierte auch Giuseppes „Jungfernflug“ 1630, als er unter den Augen zahlloser Kirchgänger Richtung Kanzel flog. Dutzende weiterer Levitationen folgten. Viele beschrieben Augenzeugen in allen Details. Besonders sensationell sei eine Levitation gewesen, bei der er 60 Meter in die Höhe flog, um ein großes, schweres Kreuz zu empfangen, das er dann wie einen Strohhalm auf der Erde aufgesetzt habe. 

1638 machte man ihm den Prozess vor der Inquisition in Neapel. Der endete mit einem Freispruch. Vorsichtshalber aber schickten ihn seine Vorgesetzten danach ins Franziskanerkloster nach Assisi. Zu groß war jedoch auch dort der Rummel um seine Person, so dass ihn die Ordensleitung in abgeschiedene Kapuzinerklöster verbannte, wo er seine Zelle nicht mehr verlassen sollte. 

Unbeschreibliches Lächeln

Kasteiungen und strengem Fasten blieb er weiter treu. So hielt er jährlich sieben Fastenzeiten von 40 Tagen, an denen er außer donnerstags und sonntags nichts aß. Letzte Station wurde schließlich das Franziskanerkloster in Osimo, wo er am 18. September 1663 nach schwerer Krankheit starb – mit einem unbeschreiblichen Lächeln auf dem Gesicht, sagten Augenzeugen. 

Bald nach seinem Tod starteten die kirchlichen Prozesse, die am 16. Juli 1767 zur Heiligsprechung durch Papst Clemens XIII. führten. Seitdem haben Literaten sein Leben immer wieder neu beleuchtet. Und auch im Kino war die Geschichte des fliegenden Paters gefragt – etwa 1962 in dem italienisch-amerikanischen Historienfilm „Ein sonderbarer Heiliger“ mit Maximilian Schell.

Giuseppes Herz übrigens hat die Stadt Osimo, wo er begraben liegt, vor einigen Jahren seiner Geburtsstadt überlassen. Dort ist es in der Kirche San Giuseppe da Copertino zu sehen.

Günter Schenk