Wird der Kaukasus das neue Syrien? Zumindest nimmt der seit Jahrzehnten schwelende Konflikt um die Exklave Bergkarabach Züge eines Religionskriegs an: Christliche Armenier stehen muslimischen Aserbaidschanern gegenüber. Russland unterstützt Armenien, die Türkei schickt islamistische Milizen.
Bergkarabach ist eine kleine Region im gebirgigen Westen Aserbaidschans. Die Bevölkerung bilden mehrheitlich orthodoxe Armenier. 1991, im Zuge des Zerfalls der Sowjetunion, erklärte Bergkarabach seine Unabhängigkeit vom muslimisch geprägten Aserbaidschan, dem es einst von Stalin zugeschlagen worden war: Seit 1923 bildete die Region ein autonomes Gebiet innerhalb Aserbaidschans.
Der Bürgerkrieg, den die Unabhängigkeitsbestrebungen seit dem Ausgang der 1980er Jahre mit sich brachten, endete 1994 zunächst mit einem Waffenstillstand. Bergkarabach verblieb völkerrechtlich bei Aserbaidschan, konnte die faktische Unabhängigkeit aber mit armenischer Militärhilfe durchsetzen. Seit einer Verfassungsänderung 2017 nennt sich das Land „Republik Arzach“ – nach einer antiken Region.
Fast durchweg christlich
Nachdem die aserbaidschanische Minderheit in Folge der Entwicklung größtenteils geflohen war, ist Bergkarabach heute fast durchweg armenisch und christlich. Aserbaidschan hat den Kontrollverlust aber nie akzeptiert – ebensowenig wie die Türkei. Bereits 2016, als der Konflikt schon einmal kurz vor der Eskalation stand, erklärte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan: „Wir werden Aserbaidschan bis zum Ende unterstützen.“
Nun also greifen von der Türkei angeworbene islamistische Söldner in den Konflikt ein. Der vatikanische Pressedienst „Asianews“ meldet, 4000 Milizionäre seien aus dem türkisch besetzten Afrin im Norden Syriens in die aserbaidschanische Hauptstadt Baku transportiert worden. Drei Monate lang sollen die Islamisten gegen Arzach und Armenien kämpfen.
„Asianews“ liegt nach eigenen Angaben die Aufzeichnung eines Appells der Sultan-Murad-Brigade vor. Das ist eine jener Milizen, die in Syrien von der türkischen Armee unterstützt werden. In dem Appell heißt es: „Die Freiwilligen aus Syrien werden in vorderster Linie an der armenisch-aserbaidschanischen Grenze eingesetzt werden.“
"Verteidigung des Vaterlands"
Während Papst Franziskus dazu aufruft, für das Krisengebiet im Kaukasus zu beten, schieben sich die Konfliktparteien gegenseitig die Schuld an der Eskalation zu. Der armenische Patriarch und Katholikos Karekin II. fordert seine Landsleute zur „Verteidigung des Vaterlands“ auf. Aserbaidschan habe den Waffenstillstand gebrochen und auf der ganzen Grenzlinie eine Offensive begonnen. Zivile Zentren in Arzach seien bombardiert worden.
„Ein Teil unserer Heimat ruft uns wieder zur Verteidigung der Rechte unserer Nation, unserer Zukunft und der nationalen Ehre auf“, heißt es in einer Botschaft des Katholikos „an die armenische Nation“. Alle internen Auseinandersetzungen müssten jetzt beiseite gelegt werden, appelliert das Oberhaupt der Armenischen Apostolischen Kirche.