Exklusiv-Interview mit FCA-Spieler Jonathan Schmid

„In Freiburg war ich Fußballgott“

Fußball bewegt die Deutschen wie keine andere Sportart. Bis zum letzten Spieltag der Saison wird mitgefiebert und mitgelitten. Dass es jenseits des sportlichen Erfolgs noch eine andere Dimension gibt, zeigt Jonathan Schmid (27). Im Exklusiv-Interview gibt der Außenverteidiger des FC Augsburg Einblicke in sein Leben als gläubiger Katholik.

Herr Schmid, wie zufrieden sind Sie mit dem Saisonverlauf?

Sehr zufrieden. Wir haben den Klassenerhalt geschafft und eine gute Saison gespielt.

Sie sind in dieser Saison lange Zeit nur auf der Bank gesessen. Wie schwer war das für Sie?

Sehr schwer natürlich. Für jeden Spieler ist es schwer, auf der Bank zu sitzen. Aber das gehört im Fußball dazu. Das hatte ich am Anfang auch in Hoffenheim und Freiburg.

Was hat Ihnen in der Zeit, als Sie nicht gespielt haben, Halt gegeben? Wo konnten Sie Kraft tanken?

Bei meiner Familie zu Hause. Bei den Kindern. Meine Familie ist sehr, sehr wichtig. Wenn ich zum Beispiel ein Spiel verliere, komme ich nach Hause und kann dann nicht so traurig sein, wenn die Kinder mit mir spielen wollen. Dann muss ich mitspielen.

Sie haben zwei Söhne, zwei und vier Jahre alt. Würden Sie Ihre Kinder unterstützen, wenn sie auch Profi-Fußballer werden wollen?

Auf jeden Fall! Sie bekommen immer meine Unterstützung. Aber ich denke, ein Kind macht, was es will. Ob es Fußball spielen will oder etwas anderes – das ist seine Wahl.

Sie würden sie aber auch nicht drängen, in dieselbe Richtung wie Sie zu gehen … 

Nein, das mache ich nicht.

Der FCA ist nach der TSG Hoffenheim und dem SC Freiburg der dritte Bundesligaverein, für den Sie innerhalb weniger Jahre spielen. Sie stehen mit diesen häufigen Wechseln im Profi-Fußball nicht alleine da. Was bedeutet Ihnen angesichts dessen „Heimat“? Gibt es einen Ort, den Sie als Heimat bezeichnen würden?

Ich will bei meinen Vereinswechseln so nah wie möglich bei Straßburg bleiben, wo meine Familie lebt. Mit ihr bin ich immer in Verbindung – ob telefonisch oder wenn sie vorbeikommt. Das ist sehr wichtig für mich. Von hier nach Straßburg sind es drei Stunden. Das ist natürlich nicht ganz nah. Aber wann immer ich Zeit habe, besuche ich meine Familie. Deswegen bin ich nach Augsburg gegangen und nicht weiter weg.

Es war für Sie tatsächlich ein Kriterium, dorthin zu wechseln, von wo aus Sie relativ schnell in Straßburg sind?

Ja, auch. Aber der FC Augsburg ist auch ein guter Verein. Deswegen bin ich dorthin gegangen. Der FCA ist auch sehr familiär, wie Freiburg. Daran habe ich gute Erinnerungen.

Ein Club wie beispielsweise der Hamburger SV oder Hertha BSC Berlin würden für Sie nicht in Frage kommen?

Genau. Das ist zu weit von meiner Heimat und meiner Familie entfernt.

Wir bleiben bei Ihrer Familie. Ihre Mutter ist Französin, Ihr Vater Österreicher. Als was sehen Sie sich selbst: Sind Sie mehr Franzose oder Österreicher?

Natürlich fließt auch ein bisschen österreichisches Blut in meinen Adern. Aber ich bin in Frankreich geboren. Ich sehe mich mehr als Franzose.

Vor einigen Jahren gab es die Überlegung, dass Sie für die österreichische Nationalmannschaft auflaufen könnten. Verfolgen Sie das weiter oder haben Sie damit abgeschlossen?

Als ich in Freiburg war, war das für mich ein Thema. Aber es hat mit den Papieren zu lange gedauert, da habe ich abgebrochen. Heute ist das kein Thema mehr.

Wenn die französische gegen die österreichische Fußball-Nationalmannschaft spielen würde, wen würden Sie unterstützen?

Auf jeden Fall Frankreich.

Der deutsche Nationalspieler Matthias Ginter, den Sie aus Ihrer Freiburger Zeit kennen, hat kritisiert, die Gehälter im Fußball seien zu hoch und der Profi-Fußball zu sehr Kommerz. Wie stehen Sie zu der Aussage?

Ich finde, er hat recht. Allerdings muss man auch sagen, dass hinter einer Profi-Karriere viel Arbeit steckt. Ich zum Beispiel will seit meiner Jugend Profi werden und habe viel dafür gearbeitet. Dann kann das hohe Gehalt eine Belohnung sein. Aber für jemanden, der normal arbeitet, ist das natürlich sehr viel Geld.

Sie haben also in jungen Jahren auf viel verzichten müssen?

Ja, auf jeden Fall. Wir haben nicht so viel Zeit, müssen uns immer auf Fußball konzentrieren. Mit den Freunden kannst du nicht mehr so oft spielen, weil du dein Ziel erreichen willst.

Fehlt Ihnen da auch etwas?

Natürlich. Aber ich denke da an einen Freund, den ich als Junge hatte: Der ist immer noch mein Freund – ob ich nun Profi bin oder nicht.

Fußball spielt in der Gesellschaft, zumindet in Deutschland und Europa, eine große Rolle. Was würden Sie sagen: Hat der Fußball diese Aufmerksamkeit verdient?

Fußball hat eine sehr große Priorität in Deutschland. Wir sehen das jeden Samstag oder Sonntag an den vollen Fußballstadien. Nicht wie in Frankreich, wo nur die ganz großen Vereine viele Fans haben.

Sie sehen also auch einen Unterschied in der Fankultur?

Ja, auf jeden Fall. In Deutschland  ist es egal, ob es sich um einen großen oder einen kleineren Verein handelt: Die Stadien sind immer voll. Wenn in Frankreich zwei kleinere Clubs gegeneinander spielen, sehen nicht so viele Menschen zu.

Sie haben gesagt, dass Ihre Familie in Ihrem Leben eine große Rolle spielt. Gilt das auch für Religion?

Ich wurde schon religiös erzogen, bin getauft und ging zur Erstkommunion. Ich bin gläubig – wie auch meine Eltern, meine Frau und meine Kinder. Das ist wichtig für mich. Leider habe ich nicht mehr die Zeit, am Sonntag in die Kirche zu gehen.

Wie zeigt sich dann Ihr Glaube? Beten Sie zu Hause?

Ich bete immer für mich, jeden Abend, bevor ich einschlafe. Seit ich klein bin, tue ich das.

Sie sprachen von Ihrer Erziehung. Welche Werte haben Ihnen Ihre Eltern mitgegeben? 

Ehrlichkeit ist immer wichtig. Man darf nicht falsch sein! Auch wenn es weh tut, müssen wir die Wahrheit sagen. 

Gibt es religiöse Rituale, die Sie mit dem Fußballplatz verbinden?

Ich habe immer mein Ritual vor dem Spiel. Erst einmal gehe ich kalt duschen. Und bevor ich auf den Fußballplatz gehe, bekreuzige ich mich.

Sie küssen sich auch auf den Unterarm. 

Ja, rechts und links.

Warum?

Da stehen die Namen meiner Frau und meiner beiden Söhne John und Layvin. Und auch ein Kreuz.

Beten Sie vor einem Spiel?

Nein, nur vor dem Einschlafen.

Gibt es einen Fußballgott?

(lacht) In Freiburg war ich Fußballgott.

Glauben Sie, dass Gott Ihnen im Spiel helfen kann?

Nicht nur im Spiel, er hilft im ganzen Leben. Wenn du daran glaubst, passiert auf jeden Fall etwas Gutes. Das hilft im Spiel und im Leben.

Ist der Glaube auch Thema innerhalb der Mannschaft?

Nein, darüber reden wir nicht. Jeder ist anders. Für mich ist der Glaube eben wichtig.

Gibt es ein bestimmtes Gebet, das Sie abends beten?

Es ist immer dasselbe Gebet. Ich habe es mir vor langer Zeit selbst ausgedacht. Immer bete ich im Stillen die gleichen Worte: Was wichtig ist im Leben.

Verraten Sie das Gebet?

(lacht) Das ist geheim.

Was erwarten Sie fußballerisch für sich in den kommenden Jahren?

Ich möchte so lange spielen wie möglich, gesund bleiben und viel Erfolg haben.

Glauben Sie, dass in den nächsten Jahren mit dem FCA noch einmal eine Europapokal-Teilnahme möglich ist?

Wenn alle zusammen bleiben, ist das möglich. Es dürfen halt nicht so viele Spieler weggehen. Unsere Mannschaft hat große Qualitäten.

Interview: Matthias Altmann, Thorsten Fels und Nathalie Zapf

Zur Person:

Jonathan Schmid kam am 22. Juni 1990 in Straßburg zur Welt. In der Jugend spielte er für elsässische Clubs wie Racing Straßburg. In der Winterpause der Saison 2007/08 wechselte Schmid zum Offenburger FV, ein halbes Jahr später zum SC Freiburg. Dort feierte er 2011 sein Bundesliga-Debüt und avancierte zum Leistungsträger und Publikumsliebling. Nach dem Abstieg des SC in die zweite Liga wechselte Schmid zu Beginn der Saison 2015/16 zur TSG Hoffenheim. Seit Sommer 2016 steht er beim FC Augsburg unter Vertrag. Dort spielte er zuletzt als rechter Außenverteidiger. Seine angestammte Position ist das offensive Mittelfeld.

09.05.2018 - Deutschland , Sport