Das Geheimnis von Ostern

Ist Jesus wirklich auferstanden?

Die Auferstehung Jesu ist die wohl einschneidendste Begebenheit der menschlichen Geschichte: Der Sohn Gottes besiegt den Tod. Ohne  die Auferstehung ist das Christentum nicht denkbar. Aber ist die biblische Erzählung historisch wahr: Ist Jesus wirklich auferstanden? Unser Jerusalem-Korrespondent Karl-Heinz Fleckenstein lädt zu einer sehr persönlichen Spuren­suche ein.

Nach einer aktuellen Umfrage glaubt nur noch jeder zweite Christ, dass Jesus am Ostermorgen von den Toten auferstanden ist. Ein Drittel der Deutschen möchte das Thema am liebsten ganz ausklammern. Sie sehen in Ostern primär den Schokohasenrummel. Je unglaubwürdiger die Auferstehung Christi erscheint, desto mehr sind süße Eier und Hasen auf dem Vormarsch. Die Osterfreude ist gerettet, auch wenn der eigentliche Grund dazu immer mehr verloren geht.

„Wäre das Christentum auch ohne Auferstehung Jesu denkbar?“, fragte mich die Regisseurin während einer Jesus-Dokumentation des Privatsenders RTL in der  Grabkapelle Christi, dem Herzstück der Auferstehungskirche von Jerusalem. „Um mit Paulus zu reden“, drängte sich mir die Antwort auf, „unser Glaube hätte keinerlei Grundlage, wäre Jesus nicht auferstanden. Hier an diesem leeren Grab ereignete sich die Geburtsstunde der Kirche.“

„Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, sondern er ist auferstanden.“ Das waren die Worte des Engels an die Frauen am Grab (Lk 24,5f). Nach christlichem Verständnis ist das leere Grab Garant dafür, dass es Gott um den ganzen Menschen geht. Die Auferstehung von Jesus wird darum zum Vorzeichen einer kommenden Auferstehung der Toten. 

„Sind die Orte, an denen der auferstandene Christus erschienen sein soll, überhaupt wissenschaftlich nachweisbar?“, hagelte die nächste Frage auf mich ein. An fünf Orten im Heiligen Land soll sich Jesus als der auferstandene Herr seinen Jüngern gezeigt haben: am leeren Grab des Josef von Arimathäa, im Abendmahlsaal, auf der staubigen Straße nach Emmaus, am See Genezareth und an der Stätte der Himmelfahrt auf dem Ölberg. 

Als authentisch erwiesen

Die Archäologie hat jeden der fünf Orte als authentisch erwiesen. Es gab sie wirklich! Sie sind damit Indizien dafür, dass Gott sich wirklich in die Geschichte der Menschheit inkarniert hat: zu einem bestimmten Zeitabschnitt, in ein ganz bestimmtes Volk und Land. Von hier ist es nur noch ein kleiner Schritt zu sagen: Der Auferstandene stellt sich als eine geschichtliche Realität dar.

„Gab es eigentlich im Judentum zur Zeit Jesu den Glauben an die Auferstehung der Toten?“, bohrte die Fernseh-Journalistin weiter. Im Judentum ist der Gedanke von der Auferstehung der Toten nur in Ansätzen vorhanden. In den Qumranschriften finden sich die Unsterblichkeit der Seele und die Auferstehung der Toten am Jüngsten Tag angedeutet. Die Pharisäer  glaubten an ein Fortleben der Seele nach dem Tod bis zur leiblichen Auferstehung am Ende aller Zeiten. 

Wenn die Jünger Jesu gesagt hätten: „Der Geist Jesu lebt weiter“, hätten die meisten ihrer Zeitgenossen keine Schwierigkeit mit dieser Aussage gehabt. Sie behaupteten aber: „Er ist wirklich auferstanden! Er lebt!“ Vor allem für die Sadduzäer war das reinste Ketzerei: Sie verwarfen überhaupt die Idee von einem Fortleben nach dem Tod. 

Bei der nächsten Frage der Fernsehfrau galt es, Farbe zu bekennen: „Was bedeutet die Auferstehung für Sie persönlich?“ Mein ganzes Leben bekommt erst von der Auferstehung her seinen tiefsten Sinn. Weil die Auferstehung ein Sieg der Macht Gottes über die Macht des Todes darstellt. Deshalb hat für mich der Tod nicht das letzte Wort. Sterben heißt nicht mehr Zerfall ins Nichts, sondern Verwandlung zum ewigen Leben.

Im Jüngerkreis herrschen nach dem Tod Jesu, nach der Katastrophe auf Golgotha, Enttäuschung und Angst. Maria Magdalena ist die erste, der sich Jesus als der auferstandene Herr zu erkennen gibt. Sie will  seinen toten Leib noch ein letztes Mal sehen, ihn einsalben. Doch das Grab ist leer. Sie vermutet, jemand habe Jesu Leichnam umgebettet.  Sie erkennt Jesus nicht einmal, als er ihr gegenübertritt, sondern hält ihn für den Friedhofsgärtner.

Die Zeugenaussage einer Frau zählte in der Antike kaum etwas. Ausgerechnet eine Frau wird nun zur Trägerin der Frohbotschaft. Die Reaktion der Jünger, die die umstürzende Nachricht von der Auferstehung als leeres Weibergeschwätz abtun, wird vor diesem Hintergrund verständlich. Trotzdem nagt der Wurm des Zweifels in ihren Herzen. Petrus und Johannes eilen zum Grab. Auch sie finden es leer. 

Als Christus den verängstigten Jüngern bei verschlossenen Türen erscheint, müssen sie feststellen, dass sie nicht einen Geist vor sich haben. Nachdem er mehr als 500 Brüdern erscheint, Petrus und Jakobus, den Jüngern von Emmaus und anderen, wird ihnen klar: Wir sind nicht einer Halluzination zum Opfer gefallen. Vielmehr ist mit der Auferstehung Jesu die messianische Heilszeit angebrochen.

Während für die Gegner Jesu dessen Botschaft buchstäblich im Grab endet, in einem totalen Fiasko, machen die Jünger die revolutio­näre Erfahrung: Jesus lebt. Sie entdecken das Kreuz nicht als Scheitern, sondern als Wendepunkt in der menschlichen Geschichte: Gott ist in die Niedrigkeit der Menschheit hinabgestiegen, um sie mit sich emporzuheben. Seitdem kann kein Mensch  mehr tiefer fallen als in die Hände Gottes.

Wenn die Jünger von Jesus als dem sprechen, den Gott von den Toten auferweckt hat, dann ist das für sie keine theoretische Formel, die sie nachbeten, weil irgendjemand es ihnen nahegelegt hat. Vielmehr ist das Bekenntnis zum auferstandenen Christus der Niederschlag ihrer persönlichen Erfahrung. Sie selbst haben Jesus lebendig gesehen, er hat mit ihnen gegessen.

Der Osterglaube erschöpft sich nicht im Bekenntnis. Er besteht auch in einem größtmöglichen Vertrauen auf den den Tod überwindenden Gott und seine Heilsbotschaft. Die Apostel sind bereit, Verfolgung, Entbehrung und Tod auf sich zu nehmen, um die frohe Kunde von der Auferstehung ihres Herrn in die ganze damalige Welt hinauszutragen.

Diese Kronzeugen konnten wählen, ob sie ihren Herrn verleugnen oder um seinetwillen Qual und Marter erdulden wollen. Einige von ihnen wurden lebendig begraben. Andere wurden wie ihr Herr gekreuzigt oder sonst auf eine Art abgeschlachtet. Dieses Leiden, das die Apostel bereitwillig auf sich nahmen, ist das wohl deutlichste Indiz, dass ihr Zeugnis vom Auferstandenen wahr ist. Wer gibt schon sein Leben für einen Toten hin?

Christliche Kronzeugen

Mit eigenen Augen sahen Petrus und die Jünger, wie ihr gekreuzigter Herr nach drei Tagen wieder lebte. Diese Botschaft wollten sie weiter­erzählen. Die frühchristlichen Kronzeugen sind im Kern nicht mehr als eine Handvoll ungebildeter Fischer. Dennoch gelingt es ihnen und ihren Nachfolgern in den folgenden 300 Jahren, das gesamte römische Weltreich umzukrempeln.

„Alles recht und gut, das waren Zeugen aus der Frühzeit des Christentums“, wandte die RTL-Journalistin ein. „Ist die Begeisterung für die Auferstehung durch die Jahrhunderte nicht abgeflacht?“ Wer die 2000 Jahre des Christentums kennt, wird der skeptischen Medienfrau widersprechen.

Jesus sagte: „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25,40). Martin von Tours erkannte Jesus in dem Bettler, mit dem er seinen Mantel teilt. Der heilige Franziskus entdeckte ihn in dem Aussätzigen, den er voller Liebe umarmt. Mutter Teresa sah sein Antlitz in den Sterbenden von Kalkutta, denen sie durch ihr Lächeln Hoffnung auf die Auferstehung schenkte.

Unzählige Christen haben durch die Jahrhunderte die stets gleiche Erfahrung gemacht: Jesus starb nicht nur für mich, er lebt – ich kann ihm persönlich begegnen. Einer von ihnen ist Wilson Carlile (1847 bis 1942), Gründer der anglikanischen Organisation „Church Army“. Im Londoner Hyde Park rief er den Menschen zu: „Jesus lebt auch heute noch!“ Jemand unterbrach ihn: „Woher weißt du das?“ Lächelnd gab Wilson zurück: „Weil ich heute morgen eine halbe Stunde mit ihm gesprochen habe.“

Überwältigende Beweise

Lord Charles John Darling (1849 bis 1936), Richter am britischen High Court, wird das Zitat zugeschrieben: „Dafür, dass dies die lebendige Wahrheit ist, gibt es so überwältigende Beweise, positive wie negative, Tatsachenbeweise wie Umstände, dass kein vernünftiges Gericht der Welt zu einem anderen Urteil kommen könnte als dem, dass die Auferstehung wahr ist.“

Der deutsche Historiker und Nobelpreisträger Theodor Mommsen (1817 bis 1903) bezeichnete die Auferstehung Jesu als „eines der am besten bezeugten Ereignisse der Geschichte“. Und selbst André Frossard, französischer Journalist und bekennender Atheist, musste eines Tages feststellen: „Gott existiert. Ich bin ihm unvermutet begegnet.“