Baustellenbesuch in Treppeln

Wo das neue Neuzelle entsteht

Seit September 2018 leben und beten Zisterziensermönche aus der niederösterreichischen Abtei Heiligenkreuz in Neuzelle. Das dortige Kloster ist nicht nur katholischer Wallfahrtsort, sondern auch ein kulturelles Zentrum Brandenburgs, das viele Touristen anzieht. Um abgeschiedener leben zu können, beschlossen die Ordensbrüder einen Neubau abseits der barocken Anlage, die ohnehin dem Staat gehört. 

Der Kuckuck ruft. Vögel zwitschern. Laubbäume spenden Schatten. Weniger einladend wirkt das Plakat, das an einem Maschendrahtzaun hängt: „Zugang für Unbefugte verboten!“, warnt es. Hinter dem Zaun beginnt eine besondere Baustelle: Hier entstehen die neuen Wohn- und Gebetsräume der Zisterziensermönche. Pater Kilian Müller, Subprior und Ökonom des Priorats Neuzelle, führt über das ehemalige Stasi-Gelände in Treppeln, etwa zehn Kilometer vom Kloster entfernt.  

Zunächst musste das 75 Hektar große Grundstück begutachtet und für den Neubau vorbereitet werden. Der Abriss der bestehenden Gebäude dauert noch an. Anfangs halfen viele Freiwillige, erzählt Pater ­Kilian. Über 2000 Arbeitsstunden seien zusammengekommen. „Auf Grund der Risiken, die mit so einem großen Abriss verbunden sind, sind jetzt Profis am Werk“, sagt der Subprior. Das sei „auch eine Haftungsfrage“.

Das Naturidyll der wäldlichen Abgeschiedenheit wird jäh vom Motorgeräusch eines Abrissbaggers unterbrochen. „Hier stand das Wachgebäude – nun ist es ein großer Trümmerhaufen“, zeigt Pater Kilian, was sich schon alles verändert hat. „Da hinten war ein Hundezwinger, der ist auch schon eingerissen.“ Große Schuttberge künden von der bisherigen Arbeit des Abrissbaggers inmitten der heruntergekommenen Stasi-Gemäuer.

Stiftung ist Eigentümer

Pater Kilian zeigt auf den Wald­rand, wo kürzlich noch drei Finnhütten standen. „Die sind schon komplett entsorgt, und es ist alles ringsherum eingeebnet.“ Mit dem Abriss ist in Sachen Klosterneubau erst der Anfang gemacht. Die Mönche sind noch nicht einmal Besitzer des Geländes. „Wir haben ein notarielles Kaufangebot von der Stiftung Stift Neuzelle. Im Grundbuch ist die Stiftung noch Eigentümerin.“

40 Tonnen illegal abgelagerten Mülls mussten entsorgt werden, sagt der Kloster-Ökonom. Und auch ansonsten läuft nicht alles rund: Durch die Inflation steigen derzeit die Baupreise. Wann wollen die Mönche ihr neues Heim also beziehen? „Es bleibt eine große Vision, die in verschiedenen Phasen verwirklicht wird. Was in vier Jahren einigermaßen realistisch ist, wäre die erste Bauphase, also die Fertigstellung des zukünftigen Gästetrakts.“ 

Eine neue Zeit beginnt

„Maria Friedenshort“ soll das Kloster heißen, wenn es einmal fertig ist – und anders als jetzt nichts mehr an den DDR-Geheimdienst erinnert. „Da hinten gab’s eine Kegelbahn“, sagt Pater Kilian und zeigt mit dem Finger. Das Haus war in der Stasi-Zeit ein Kulturgebäude  mit Kino. „Ich habe den Eindruck, dass sich die ganze Atmosphäre, der Raumeindruck auf dem Gelände sehr verändert hat. Man sieht, wie groß das auf einmal ist und dass hier mit uns eine neue Zeit beginnt.“

Entworfen hat die neue Klosteranlage die mexikanische Star-Architektin Tatiana Bilbao zusammen mit zwei weiteren Architekturbüros aus Europa. Den zukünftigen Gästebereich mit Kapelle wollen die Zisterzienser erst einmal für sich als Klausur nutzen. Hier könnten dann auch erste Gäste des Klosters beherbergt werden. Das ist auf dem historischen Gelände in Neuzelle nicht möglich. Dort wohnen die Ordensbrüder als Mönchs-WG im ehemaligen Haus des katholischen Ortspfarrers. 

Feier unter freiem Himmel

In der barocken Marienkirche des Klosters in Neuzelle singen die Mönche jeden Tag fast dreieinhalb Stunden lang ihre Gebete. In Treppeln gab es gelegentlich bereits Andachten und kleine Gottesdienste unter freiem Himmel. Besonders freut sich der Pater über die „lebendige Ökumene“ vor Ort: „Wir hatten vor wenigen Wochen einen Gottesdienst mit der evangelischen Gemeinde.“ Das gehe aber nur am Wochenende – „weil die Arbeiten dann ruhen“.   

Bevor die Mönche Treppeln für sich endeckten, trafen sich auf dem verwahrlosten Stasi-Gelände mitunter Neonazis. Das zeigen SS-Runen an den Wänden und Schmierereien wie „Heil Hitler“. Die Präsenz der Mönche dürfte diesen Spuk beenden. Einen Sicherheitsdienst wollen die Zisterzienser aber nicht engagieren. „Wir haben im Januar hier am höchsten Punkt ein großes Kreuz aufgestellt“, sagt Pater Kilian. Dadurch werde das neue Kloster wahrgenommen. „Hier herrscht jetzt ein anderer Geist.“

Rocco Thiede

29.07.2022 - DDR , Deutschland , Orden