Unruhen in Swasiland

König lässt auf Kinder schießen

Journalisten, Bürgerrechtler und Oppositionelle lässt er wegsperren, Proteste in Tränengas ersticken. Seit Jahren fürchten Re­gimekritiker in Eswatini die harte Hand von Mswati III., dem letzten absoluten Monar­chen Afrikas. Jetzt hat der Regent für viele endgültig eine rote Linie überschritten: Erstmalig richtet sich die staatliche Gewalt auch gegen Kinder. 

In dem bergigen Königreich zwischen Südafrika und Mosambik, das bis 2018 offiziell Swasiland hieß, brodelt es schon länger. Seit drei Monaten kommt es immer wieder zu Protesten. Die Demonstranten fordern mehr Mitsprache und ein Ende der Gewaltherrschaft. Auch Schüler gehen mittlerweile auf die Straße, errichten Blockaden und werfen mit Steinen. Eine Lehrergewerkschaft bestätigte, dass Armee und Polizei in die Schulen geschickt wurden. 

„Soziale Medien quellen über mit Videos und Fotos von Kindern, die verzweifelt versuchen, Bewaffneten zu entkommen“, sagt Dumisani Minsi, Landesdirektor von „Save the Children“. Die Aktivistengruppe ist alarmiert, denn statt Unterricht gebe es in diesen Tagen „Tränengas“. In der südlichen Stadt Nhlangano wurde ein Schüler von der Polizei am Bein angeschossen. „Über diesen groben Gewalteinsatz hinaus wurden Hunderte andere Kinder willkürlich verhaftet“, so Minsi. 

Der Aktivist forderte den sofortigen Abzug von Militär und Polizei von den Schulen. „Kinder müssen geschützt werden, unabhängig davon, wo sie sich aufhalten oder was sie tun.“ Berichten zufolge forderten die Schüler die Freilassung von drei Parlamentsabgeordneten. Diese waren zuvor aufgrund ihrer Kritik am Regime verhaftet worden.

Der König geriet in den vergangenen Jahren wiederholt wegen seines autoritären Führungsstils unter Druck. Nach der Unabhängigkeit von Großbritannien 1968 hatte sein Vater, König Sobhuza II., das Mehrparteiensystem abgeschafft. Seitdem schlägt die Polizei Proteste unter Anwendung strenger Anti-Terror-Gesetze nieder. Oppositionsparteien sind verboten. 

Bereits im Juni waren die Proteste eskaliert. In der Hauptstadt Mbabane steckten die überwiegend jugendlichen Demonstranten etliche Fahrzeuge und Gebäude in Brand, darunter Läden im Besitz des Königs. Es kam zu Plünderungen. Mehrere Menschen starben. Als sich Gerüchte verbreiteten, Mswati habe sich ins benachbarte Südafrika abgesetzt, sahen einige Beobachter sogar kurzzeitig das Ende der Monarchie gekommen.

Eswatini stecke in einer politischen Sackgasse, bilanziert die Südafrikanische Bischofskonferenz (SACBC). Ihre Vertreter sprachen bei einem „Solidaritätsbesuch“ mit dem Premierminister, Journalisten, Priestern und Jugendlichen. „Während alle Beteiligten übereinstimmen, dass es angesichts der Unruhen im Land einen Dialog braucht, herrscht keinerlei Konsens darüber, wie dieser Dialog abgehalten werden soll“, sagt SACBC-Präsident Bischof Sithembele Sipuka. 

Monarchie: eine Bürde

Viele Swasi sind stolz auf die Königsherrschaft. Sie ist eng mit ihrer Kultur verwoben. Für andere aber ist sie eine Bürde. Dazu trägt vor allem Mswatis Luxusleben bei. 2019 etwa ließ der Monarch an die 90 neue BMW und Rolls-Royce-Limousinen importieren. Die verbotene Oppositionspartei Pudemo sprach von „eklatanter Zurschaustellung von Arroganz“. Mswati lebt mit seinen Ehefrauen in Palästen. Während ­Eswatini als einer der ärmsten Staaten der Welt gilt, wird das Vermögen des Königs auf 200 Millionen US-Dollar geschätzt.

Wer in Eswatini Demokratie einfordert, landet oft im Gefängnis. Viele Parteien agieren von Nachbarländern aus. Auch die Kirche im Königreich hält sich bedeckt. Jedoch mahnen die Bischöfe nun ein Umdenken an: „Während der Ruf (nach Demokratie) nicht neu ist, schlagen wir demütig vor, dieser Forderung Aufmerksamkeit zu schenken.“ Andernfalls drohe dem Land ein Bürgerkrieg.

Markus Schönherr

20.10.2021 - Afrika , Gewalt , Kinder