Redensarten und Brauchtum

Mal wieder Schwein gehabt?

Ein Jahreswechsel ist immer mit vielen Hoffnungen, Wünschen und Vorsätzen verbunden gewesen, aber auch mit Ängsten und Unsicherheiten – erst recht in unsicheren Zeiten wie diesen. Von daher sind Bräuche weit verbreitet, mit denen man Glück und Überfluss für das neue Jahr heraufbeschwören möchte. Im Volksglauben sorgen dafür zahlreiche Symbole: Hufeisen, vierblättrige Kleeblätter, der Schornsteinfeger – und das Schwein. 

Gerade das Borstenvieh gehört zu den bekanntesten Glückssymbolen. Warum eigentlich, fragt man sich, ist das Schwein im Brauchtum, in Redensarten und Spruchweisheiten allgegenwärtig – und zwar mit positivem wie negativem Vorzeichen? Vor allem das Glücksschwein für das neue Jahr und auch das etwas aus der Mode gekommene Sparschwein genießen eine große Wertschätzung. 

Dass das Schwein eine so wichtige Rolle spielt, ist sicherlich seiner großen Bedeutung für den menschlichen Haushalt geschuldet. Seit frühester Zeit ist es mehr oder weniger ein Haustier des Menschen. Wer ein Schwein besaß, konnte sich glücklich schätzen, denn dieses vermochte eine ganze Familie durch den Winter zu bringen. 

Ziemlich alles ließ sich verwenden: Aus dem Fleisch wurden Schinken und Schmalz gewonnen, Würste wurden gestopft und geräuchert, das Blut zu Blutwurst verarbeitet, der Speck als Bratfett und als Beigabe zum Frühstück verwendet. So ist das in schlechten Zeiten: Wer ein Schwein hat, hat eben „Schwein gehabt“. 

Kam zur Sau, also dem weiblichen Schwein, noch ein Eber, war die Ernährung der Familie erst recht gesichert: Eine Sau bringt statistisch gesehen etwa 23 Ferkel zur Welt. Vielfach wurden die kleinen Ferkel um die Weihnachtszeit geboren. Damit konnte im neuen Jahr nichts mehr schiefgehen. 

Jungferkel im Korb

So erklärt sich auch der Brauch, zu Neujahr gewaschene Jungferkel in einem Korb herumzureichen. Wer das Ferkel berührt, dem steht ein gutes neues Jahr bevor. So jedenfalls will es der Volksglaube. Da war der Weg vom echten Schwein zum nachgemachten Miniatur-Marzipan- oder Hefeteigschwein oder zum Keramik-Glücksschweinchen nicht mehr weit. 

Bereits um das Jahr 1576 soll ein Burgherr aus dem rheinischen Herzogtum Jülich auf die Idee gekommen sein, in einer Schweinefigur Geld unterzubringen. Wilhelm Spies von Büllesheim, der sinnigerweise auf Burg Schweinheim lebte, verfügte offenbar, dass seine Frau, seine Kinder und das gesamte Personal eigene Sparschweine mit Münzen zu füllen hatten, um im Fall von Krankheit, Not und Armut gewappnet zu sein.

Und so gab es damals schon kleine aus Ton geformte Schweine mit einem Schlitz zum Einfüllen des „Notgroschens“. Die Burg jedenfalls steht heute immer noch am Stadtrand von Euskirchen. Und zu ihren Füßen steht wieder ein Schwein, gespendet von der „Schutzgemeinschaft Deutsches Sparschwein“.

Nicht zu leugnen ist aber auch, dass die Menschen dem Schwein seit jeher auch viel Negatives nachsagten. Es galt als Reittier von Teufel und Hexe. Und Begriffe wie „Drecksau“, „wilde Sau“, „saudumm“, „saukalt“, „Sauwetter“ oder „Saustall“ können nur als ablehnend, wenn nicht gar als unmittelbare Beleidigung empfunden werden. Und wer einsam ist, den ruft eben kein Schwein an. Und keine Sau ist da.

Jemanden als „Saupiefke“ oder „Saupreuße“ zu beschimpfen, ist heute umgangssprachlich zwar oft scherzhaft, nicht selten aber noch immer abwertend gemeint. Dabei scheint das Schimpfwort „Sau­bayer“ älter zu sein als das heute gebräuchlichere „Saupreuß“, eine aus Bayern stammende Bezeichnung für Deutsche, deren Herkunft weiter im Norden liegt. 

Bereits im 16. Jahrhundert waren es vornehmlich die benachbarten Schwaben, die die offenbar ungeliebten Bayern so titulierten. Das Schimpfwort „Saupreiß“, vermutet man, ist dagegen erst um 1868 von unzufriedenen Bauern aufgebracht worden, die damit ihre Ablehnung des Schutzbündnisses zwischen Bayern und Preußen zum Ausdruck bringen wollten.

Wahre „Drecksschweine“

Das Schwein steht also symbolisch für das Böse wie auch für Glück und Wohlergehen. Wahre „Drecksschweine“ können nicht nur erlesene Trüffel für den Feinschmecker aufspüren, sondern auch verborgene Schätze. Buchstäblich graben sie das Glück aus dem Boden. „Schwein gehabt“, könnte man rufen – noch so eine Redensart, die mit dem Borstenvieh verbunden ist.

Sie stammt möglicherweise von alten Kartenspielen. Die höchste Spielkarte nannte man „Sau“. Sie war auf der Karte abgebildet und stach in vielen Spielen den König aus. Auch auf mittelalterliche Schützenfeste könnte die Redensart zurückgehen. Der schlechteste Schütze erhielt ein Schwein als Trostpreis. Ein letzter Platz brachte zwar Spott ein. Dafür hatte der Schütze jedoch das an sich unverdiente Glück, einen „Naturalwert“ mit nach Hause nehmen zu dürfen. 

Fest steht: Man sollte sich nicht allzu sehr auf das Glücksschwein verlassen. Aber als Geschenk zum Beginn des neuen Jahres ist es sicherlich auch heute noch jedem willkommen. Gegen Jahresende neigen selbst große Realisten zum Aberglauben. Und gerade in Zeiten der Corona-Pandemie kann ein wenig Beistand schon helfen. In diesem Sinne: Ein glückliches neues Jahr!

Irene Krauß