Donatello: Erfinder der Renaissance

Massenhaft Madonnen in Berlin

Donatello gilt als einer der Begründer der italienischen Renaissance. In Berlin ist dem Künstler eine aufsehenerregende Ausstellung gewidmet – die erste  überhaupt in Deutschland. Für manchen Besucher passt sie so gar nicht in die Bundeshauptstadt.

Überall Madonnen: als Relief, Halbrelief, Andachtsbild oder Vollplastik. „Gab es schon jemals in der selbsternannten Hauptstadt des Atheismus eine so massive Präsenz Mariens mit dem Jesusknaben?“, fragt jemand. „Ich kann mich nicht erinnern.“ – „Es kommt mir vor wie ein kunstvolles Fest um die Gottesmutter.“ Die Sonderschau „Donatello: Erfinder der Renais­sance“ in der Berliner Gemäldegalerie am Kulturforum zieht die Besucher in ihren Bann.

„Charakter einer Mission“

„Schade eigentlich, dass die Eröffnung nicht am 15. August, zu Maria Himmelfahrt, war“, sagt der eine. „Das wundert mich gar nicht“, entgegnet der andere. „Diesen Feiertag kennt kaum jemand in Berlin. Das hätten sie bei uns in Bayern besser hinbekommen.“ Die beiden Süddeutschen können ihre Begeisterung kaum zügeln. Was von Donatello hier an hochwertiger Kunst präsentiert wird, „hat den Charakter einer Mission, ja Christia­nisierung der Ungläubigen“, bringt es einer der Gesprächspartner auf den Punkt. 

Das Religiöse dominiert

Wer die Bibel und das Wirken Jesu nicht kennt, dürfte weitgehend verloren sein, wenn er die Kunst des Italieners Donatello (um 1386 bis 1466) verstehen will und sich nicht nur an seinen ästhetischen Ausdrucksmöglichkeiten und der an der Antike entlehnten Formensprache berauschen möchte. Das Religiöse dominiert und verweist auf die Wurzeln der abendländischen Kultur.  

Die Sonderschau, die zuvor bereits in Florenz zu sehen war, ist für Jung und Alt gleichermaßen geeignet. Mit der Eintrittskarte erhält man einen kostenfreien Audioguide mit einer Tonspur für die Erwachsenen und einer extra für Kinder. Was man hier zu hören bekommt, ist sehr qualitätvoll. Kindern werden anhand von Symbolen die wichtigsten Werke in Form eines kleinen Hörspiels vorgestellt. 

Einige herausragende Beispiele aus der Schau seien hier genannt: Donatellos David (in diversen Ausführungen samt der einzigen Zeichnung des Künstlers, die bisher dazu identifiziert wurde); die Pazzi-Madonna von 1422 und die Wolken-Madonna (um 1430), beide aus Marmor; das beeindruckende Bronzekruzifix aus Padua (1443); „Der Heilige Johannes der Täufer“ (1442) und zahlreiche Kreuzigungen sowie die Beweinung Christi. 

Gesammeltes und Leihgaben

Viele Arbeiten Donatellos stammen dank Wilhelm von Bodes Sammlerleidenschaft aus Berlin. Es sind aber auch hochrangige Leih­gaben aus Wien, London, den USA, Frankreich und natürlich aus Italien zu sehen. Zusätzlich werden Gemälde und Plastiken von Zeit­genossen Donatellos oder seiner Nachfolger ausgestellt.

Darunter sind Fra Angelicos „Erscheinung des heiligen Franziskus“ mit einer zu dieser Zeit sehr seltenen Nachtszene und dem „pax vobis“ (Friede sei mit Dir) der Mönche sowie Agnolo Bronzinos Porträt des Ugolino Martelli von 1540. Hier kann man im Hintergrund die David-Figur Donatellos erkennen. 

Außergewöhnliche Schau

Junge und alte Museumsbesucher erfahren dank der Führungen mehr über das Florenz des 15. Jahrhunderts, in dem Donatello wirkte. In­teressante Details zur Vita des Künstlers und vor allem viel über seine für Kirchen oder private Auftraggeber wie die Medici entstandenen Werke vervollständigen die außergewöhnliche Schau. Der Besuch gleicht einer abwechslungsreichen Religionsstunde, ohne belehrend zu wirken. Er ist kurzweilig und spannend.

Auch der Guide für die Eltern bietet mit gut 20 Stationen das Wichtigste zur Kunstgeschichte und sachkundige Einführungen zu den Skulpturen. Einen Ausstellungskatalog braucht man da fast nicht mehr. Zudem sind viele der dort abgedruckten Texte schon in der Exposition zu lesen. Der Rest ist dann eher etwas für das kunsthistorisch geschulte Fachpublikum.

Donatello war ein vielseitiger Erneuerer, stets offen für technische und künstlerische Entwicklungen, der unermüdlich mit Materialien und Ausdrucksformen experimentierte. Er gilt als einer der Begründer der italienischen Renaissance. Seine tief im Glauben verwurzelten Werke revolutionierten die künstlerische Praxis ihrer Zeit. Mit rund 90 Arbeiten und zahlreichen Hauptwerken, die zuvor noch nie zusammen gezeigt wurden, ergibt sich daraus ein Panorama der Geschichte der Renaissance.

Noch nie konnte man in Berlin so viele Madonnenbildnisse und Mariendarstellungen mit dem Jesuskind von Italiens Kunstidol Donatello sehen. Die Ausstellung läuft bis zum 8. Januar 2023. An den dunkler werdenden Herbstnachmittagen kann man sich durch den Besuch etwas Besonderes gönnen – oder später in den Ferien zu Weihnachten. Dann ist Jesu Geburtstag, der hier in Berlin zusammen mit seiner Mutter Maria so grandios in Szene gesetzt wird. 

Es lohnt sich, zu diesem kunstvollen Fest nach Berlin zu reisen. Denn die fast 600 Jahre alten Kunstwerke haben bis heute nichts von ihrer Faszina­tion verloren. Eine Faszination, die auch die britische Hauptstadt begeistern soll: Nach Berlin macht die Ausstellung im Victoria & Albert Museum in London Station.

Rocco Thiede

Information

Die Sonderschau „Donatello: Erfinder der Renaissance“ ist noch bis 8. Januar in der Berliner Gemäldegalerie am Kulturforum zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags, mittwochs und freitags 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 20 Uhr, am Wochenende 11 bis 18 Uhr. Infos im Internet: donatello.smb.museum.