Debatte

Papst kritisiert Vaterunser-Übersetzung

ROM (KNA) – Papst Franziskus hat die bisherige Fassung der Vaterunser-Bitte „führe uns nicht in Versuchung“ kritisiert. Dies sei „keine gute Übersetzung“, sagte er in einem Interview des italienischen Senders TV2000. Nicht Gott stürze den Menschen in Versuchung, um zu sehen, wie er falle. „Ein Vater tut so etwas nicht; ein Vater hilft sofort wieder aufzustehen. Wer dich in Versuchung führt, ist Satan“, erklärte der Papst. 

Franziskus verwies auf einen Beschluss der französischen Bischöfe, die offizielle Übersetzung zu ändern. In Frankreich lautet die betreffende Bitte seit dem ersten Advent: „Lass uns nicht in Versuchung geraten.“ 

Im Zusammenhang mit der französischen Initiative hatten auch Theologen im deutschen Sprachraum eine Anpassung verlangt. Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer warnte hingegen vor einer „Verfälschung der Worte Jesu“. Die Vaterunser-Bitte sei genau so bei den Evangelisten Matthäus und Lukas überliefert. Es gehe nicht an, Jesus zu korrigieren, sagte der frühere Dogmatikprofessor. Gleichwohl müssten und könnten diese Worte so erklärt werden, „dass das Gottesbild nicht verdunkelt wird“.

Auch der Neustamentler Thomas Söding warnt im Interview vor einer Neu-Übersetzung.

Professor Söding, darf man Jesus korrigieren?

Wichtig ist, Jesus zu interpretieren, sodass er heute verstanden werden kann. Der erste Schritt ist dann aber, zu identifizieren, was er zu seiner Zeit gesagt hat und was die Evangelien von ihm überliefert haben. Das ist viel reicher als das, was viele Verteidiger und Kritiker daraus gemacht haben.

Warum sollte Gott in Versuchung führen?

Wer sagt, dass er das macht? Das Neue Testament sagt es nicht. Das Vaterunser schon gar nicht. Die Bitte will nicht Gott zu etwas treiben, was er nicht ohnedies machte und wollte. Sie will vielmehr Gottes Willen und Gottes Barmherzigkeit erkennen. Deshalb die Bitte. Ich spreche sie nicht, weil ich Angst habe, sondern weil ich Vertrauen habe. Die Bitte ist ein Bekenntnis: Würde Gott eine Versuchung über die Beter kommen lassen, würden sie nicht bestehen. Sie dürfen aber glauben, dass Gott kein Monster ist. Sie beten – in der Gewissheit, schon erhört worden zu sein, bevor die Bitte ausgesprochen ist.

Hat der Papst recht – ist unsere Übersetzung nicht gut?

Die Übersetzung ist wörtlich. Die neue französische Wendung ist keine Übersetzung, sondern eine Paraphrase. Sie ist gut gemeint, aber nicht gut. Wobei man sagen muss: Die alte französische Übersetzung „unterwerfe uns nicht der Versuchung“ war brutal. Die musste geändert werden. Die deutsche Übersetzung ist aufrüttelnd, wie das Gebet selbst.

Was ist wichtiger: die wörtliche Übersetzung, auch wenn sie keiner versteht – oder eine freiere Übersetzung, damit man Jesus versteht und mit Sinn und Verstand betet?

Wer anders beten will, als Jesus seine Jünger zu beten gelehrt hat, soll es gerne tun. Wer mit den Worten Jesu beten will, hält sich am besten ans Neue Testament. Wenn nicht auch die dunklen Seiten in das Gottesbild integriert werden, dann wandern sie in den Aberglauben aus. Da gehören sie nicht hin.

Hätten Sie eine Alternative für die jetzige Übersetzung oder braucht es mehr Predigten, damit wir besser verstehen?

Die deutsche Übersetzung braucht nicht verändert zu werden. Sie muss bleiben, wie sie ist. Ob Predigten helfen? Eine Schule des Betens braucht es, in der gelernt wird, dass jede Bitte das Jesusgebet aufnehmen sollte: „Nicht mein, sondern dein Wille geschehe.“

Interview: Markus Nolte

Was Kardinal Walter Kasper dazu sagt, lesen Sie hier.

13.12.2017 - Papst