Film trifft Theater

Passionsspiel ohne Christus

Düster ist es im Palast, in dem Pontius Pilatus auf einem Sessel sitzt. Umgeben von epochaler Filmmusik spricht er zu Jesus, zum Volk, mit sich selbst, stellt rhetorische Fragen, ringt mit sich. In seinen Gesichtszügen wechseln sich Macht, Ratlosigkeit und Verzweiflung ab. „Wofür hast du denn den Tod verdient?“ „Er hat nichts Übles getan! Soll ich euren König kreuzigen?“ 

Die Ostergeschichte ist bekannt, jedoch nicht aus der überraschenden Perspektive des Filmprojekts „Passion 2:1“: Fünf Personen, Maria Magdalena, Judas, Petrus, der Hohepriester  Kaiphas und Pontius Pilatus, erzählen aus ganz persönlichen Blickwinkeln. Nur einer ist nicht da – Jesus. Und doch kreist alles um ihn.

Initiiert wurde „Passion 2:1“ von Produzent Yngvar Aarseth, gebürtiger Norweger und Ruhestandspastor in Füssen. Die Idee kam ihm nach einem Besuch im Kindergarten, bei dem weder das Personal noch die Kinder ihm erzählen konnten, warum Christen Ostern feiern. Sie kannten nur noch Hasen und Eier, stellte er betroffen fest. Durch Zufall lernte Aarseth den Südtiroler Regisseur Manfred Schweigkofler kennen. Dieser war sofort begeistert und schnell entstand die Idee, die Geschichte der Passion zu erzählen und Jesus dabei herauszunehmen. 

Bewegende Entwicklung

Ein Argument für diesen ungewöhnlichen Ansatz ist, erzählt David Hüger, Co-Regisseur und Komponist der Filmmusik, dass Schweigkofler noch kein Passionsspiel gesehen habe, bei dem ihn Jesus wirklich überzeugt hat und der Darsteller dem Gottessohn gerecht wurde. Außerdem würde Jesus so viel Platz einnehmen, dass die bewegenden Geschichten, in denen sich Menschen wiederfinden können, verblassen. So entstand die Idee, die Geschichte aus den fünf Perspektiven zu erzählen. Wie haben sich die Personen durch diesen Jesus verändert? Wie haben sie sich entwickelt?

Judas etwa, sagt Hüger, sei in der Geschichte immer nur als Verräter dargestellt. Aber steckt nicht mehr dahinter? Fühlte er sich nicht vielleicht auch von Jesus „verraten“? War nicht vielleicht auch er enttäuscht? Oder der Hohepriester: Er will seine Welt bewahren, wie jeder seine Welt bewahren will. „Das ist unser Anspruch, die menschlichen Geschichten auszupacken.“

Junges, christliches Team

„Passion 2:1“ ist das Projekt eines überwiegend jungen Teams. Viele wollen ihren Glauben frisch und neu vermitteln, andere Kunst in außergewöhnlichem Format machen. Auch Hüger kommt aus einer christlich geprägten Familie: Seine Mutter ist Tochter eines evangelischen Pfarrers, sein Vater stammt aus einem sehr katholischen Elternhaus, seine Oma ist mit dem emeritierten Papst Benedikt XVI. befreundet. Weil Hüger aber gut nachvollziehen kann, dass viele Menschen und junge Leute Schwierigkeiten mit dem Glauben haben, will er die Passion auf neue Art erfahrbar machen.

Das Stück ist nicht Film und nicht Theater. „Wir stellen nicht nur eine Videokamera auf, die das Theaterstück abfilmt“, sagt Hüger. „Wir machen wirklich Film im Thea­terformat. Beispielsweise sitzt Pilatus bei seinem Verhör mit Jesus auf seinem Stuhl vor dem großen Blackscreen, einem schwarzen Hintergrund. Die Kulissen, Marmorboden und Säulenhalle, werden hinterher digital eingefügt und aufwendig animiert.“ 

Ursprünglich sollte die Passionsgeschichte als Genre-Mix schon 2020 im Festspielhaus Neuschwanstein in Füssen aufgeführt werden. Wegen der Corona-Pandemie musste die Aufführung damals und auch in diesem Jahr verschoben werden. Weil es bis 2022 aber noch dauert, gibt es „Passion 2:1“ nun als Film, der auf das Multimediaspektakel im kommenden Jahr Lust machen soll. „Ich sitze wie im Kino und habe ein Surround-Erlebnis und sehe 180 Grad um mich herum eine Show mit Live-Schauspiel“, beschreibt Hüger, was den Zuschauer erwartet.

Aramäisches Liedgut

Neben Theater, Spezialeffekten, Tanz, Akrobatik und 3D-Lasershow wird die Musik ein besonderes Erlebnis: Bei „Passion 2:1“ trifft moderne epische Filmmusik auf nahöst­liche Straßenmusik. „In Füssen lebt mit knapp 100 Familien eine der größten aramäischen Communities Deutschlands“, erzählt Hüger. „Sie haben für uns in einer Kirche gesungen. Das Liedgut aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus haben sie mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Da kriegt man Gänsehaut“, meint er. 

„Einen Teil des Sound­tracks haben wir in Budapest aufgenommen, einen anderen in Skopje und die ganzen nahöstlichen Sounds kommen aus Barcelona von einem Doktor für nahöstliche Musik. Die Produktion ist wirklich eine euro­päische geworden.“ 

Als Darsteller wirken bekannte Gesichter mit, etwa Rosenheim-Cop Michael Grimm, Peter Weiß von „Soko Kitzbühl“ und BR-Moderatorin Sabine Sauer. Gedreht wurde Anfang März unter Corona-Bedingungen vor allem im Festspielhaus Neuschwanstein. „Jeder musste einen negativen PCR-Test mitbringen und jeden Tag wurde – auch mehrfach – ein Schnelltest gemacht, da viele auch zu anderen Projekten mussten“, sagt Hüger. 

Die Umsetzung kostet knapp 200 000 Euro. Finanziert wird das Ganze von Produzent Yngvar Aarseth, mehreren Sponsoren und über eine laufende Kampagne im Netz, an der sich jeder beteiligen kann. Die Premiere von „Passion 2:1“ findet am Karfreitag statt – ganz coro­nakonform per Internet-Übertragung im Wohnzimmer eines jeden Zuschauers. Lydia Schwab

Information

Näheres zu „Passion 2:1“ gibt es unter www.passion-21.de. Der Film läuft am Karfreitag, 2. April, um 20.15 Uhr kostenlos auf Youtube, Bibel-TV und Allgäu TV. Die Finanzierungskampagne finden Sie hier: www.startnext.com/passion21

24.03.2021 - Christus , Film , Kultur