Im aktuellen Film „Ich bin dein Mensch“ von Regisseurin Maria Schrader geht es um die Frage, ob sich ein Mensch in einen Roboter verlieben kann. Der Augsburger Weihbischof und Ethikexperte Anton Losinger erläutert im Exklusiv-Interview, warum das Thema „Mensch oder Maschine“ gerade jetzt wieder aktuell ist und welche Wünsche und Ängste damit verbunden sind.
Herr Weihbischof, das Motiv des künstlichen Menschen taucht seit Hunderten von Jahren immer wieder in Literatur und Film auf. Warum hat das Thema gerade jetzt wieder an Aktualität gewonnen, wie der Erfolg des Films beweist?
Es sind zwei Trends, die hier zusammenkommen: erstens der ungeheure Fortschritt in der Entwicklung neuer digitaler Technologien, die heute viele unserer Lebensbereiche bestimmen. Da könnte einem manches direkt menschlich vorkommen, wenn etwa „Alexa“ die unmöglichsten Fragen im Wohnzimmer beantwortet oder Google mit uns redet und das Handy sogar Witze erzählt.
Der zweite Trend ist ein uralter: Seit Menschengedenken gehen Menschen mit der Idee um, ein menschengleiches Wesen, eine Chimäre, einen Homunculus, zu schaffen. Die spannende Frage war immer: Kann es gelingen, eine so perfekte Maschine zu konstruieren, dass die Grenze zum Menschsein überschritten wird? Diese Grenze zwischen Mensch und Maschine steht im Film „Ich bin dein Mensch“ zur Debatte. Die hohe Brisanz erreicht diese Frage vor allem dann, wenn es um Grundphänomene des menschlichen Wesens geht: um die Seele, um die Würde und um die Liebe.
Wer wie die Hauptfigur Alma alles kontrollieren und messbar machen will, tut sich auch mit dem Glauben an Gott schwer. Sehen Sie die immer neuen wissenschaftlichen Möglichkeiten als eine Mitursache für die Säkularisation und die schwindende Religiosität?
Unser neuzeitliches Menschenbild ist zutiefst von wissenschaftlich-technischer Vernunft bestimmt, die uns bis in den letzten Winkel hinein formt und prägt. Diese Macht des menschlichen Wissens löste immer schon Zweifel an der Existenz Gottes aus – und den Willen, die Wirklichkeit der Welt aus den Kräften der menschlichen Vernunft zu erklären. Sämtliche Wissenschaftsbereiche, ausgehend von den Naturwissenschaften bis in die moderne Biomedizin, sind von diesem Trend des Denkens betroffen. Das erzeugt natürlich ein schwindendes Gewicht religiöser Gründe.
Aber die Medaille hat auch eine andere Seite. Gerade neuzeitliche Krisen zeigen die Grenzen dieses Denkens auf. „Vom Ende der Neuzeit“ lautet der Titel eines Buchs des Theologen und Religionsphilosophen Romano Guardini. Der Philosoph Herbert Marcuse kritisiert die eindimensionale „instrumentelle Vernunft“.
Das Kontrollierbare der postmodernen technischen Wirklichkeit ist also nur ein Aspekt. Der andere ist ein bedrohlicher Sinnverlust der Wirklichkeit des Menschen, wenn schwindende Religiosität und Säkularisierung eine gefährliche Lücke im Menschenbild der modernen Zeit hinterlassen. Eine Menschheit, die ihren inneren Kompass verliert, hat kaum mehr einen Rückhalt gegen die Kräfte der Zerstörung des Menschen und der Welt.
Die Frage „Glaubst du an Gott?“ wimmelt der Roboter Tom gleich zu Anfang des Films ab. Auf die Frage nach seiner größten Angst antwortet er „allein zu sterben“. Sind das aus ihrer Sicht typisch menschliche Antworten, die hier ein Roboter gibt?
Es ist interessant, dass zutiefst existenzielle menschliche Fragen wie der Glaube an Gott oder die Angst davor, allein zu sterben, von einem Roboter sehr menschlich beantwortet werden. Hier spricht keineswegs eine „Roboter-Seele“. Die Antwort ist Ergebnis künstlich intelligenter Programmierung – ein Algorithmus, der aus vielen Sätzen der menschlichen Sprache lernt und Ergebnisse daraus synthetisiert.
Die sehr menschlichen Antworten des Roboters Tom auf letzte Sinndimensionen der menschlichen Existenz sind also kein Wunder, sondern nüchternes Ergebnis einer lernenden KI im Umgang mit menschlicher Sprache. Provokant ist allerdings, dass ausgerechnet der Roboter im Film einem lebenden Menschen einen Spiegel vorhalten muss über das, was ihn seit Menschengedenken in seiner Tiefe bewegt.