Kulinarische Mission

Und zum Nachtisch: Versöhnung

Esskultur als Türöffner zum Frieden: Das mag naiv klingen. Doch die „Chefs for Peace“, eine Gruppe jüdischer, christlicher und muslimischer Köche, zeigen, dass Frieden durch den Magen geht. Damit haben sie etwas geschafft, wovon die Politik noch weit entfernt ist. 

Spitzenköche aus Israel und Palästina engagieren sich kulinarisch im Zeichen der Völkerverständigung. Sie kochen Gala-Dinners für Feinschmecker, ganz gleich, ob jenseits ihrer Friedensoase geschossen wird oder die israelischen und palästinensischen Politiker wieder einmal ergebnislos über gemeinsames Zusammenleben reden. 

Die Köche wollen zeigen, dass Frieden möglich ist. Da kochen an zwei Abenden die beiden Starköche Ran Shmueli aus Israel und Abdulkarim M. I. Shamasna aus Palästina ein viergängiges Menü mit Spezialitäten aus ihren Regionen. Ein Teil des Erlöses kommt SOS-Kinderdörfern in Israel und den palästinensischen Gebieten zugute. Dadurch sollen Freundschaften zwischen jüdischen und arabischen Kindern durch gemeinsame Urlaube gefördert werden.

Besondere „Waffen“

Was die „Friedens-Köche“ verbindet, ist die Küche des Orients. Dabei reden sie nicht viel über Koexistenz. Sie leben sie einfach aus der Überzeugung, dass Mahlzeiten eine köstliche Möglichkeit dazu bieten. Politik und Religion spielen dabei keine Rolle. „Als christliche, muslimische und jüdische Köche kommen wir mit scharfen Messern, bis an die Zähne bewaffnet, in die Küche“, erklärt der Armenier Kevork Alemian. 

Der gebürtige Jerusalemer arbeitet im legendären American Colony Hotel in Jerusalem. Seit 45 Jahren ist er dort Küchenchef und Manager. „Aber die scharfen Messer sind nicht dafür da, um uns gegenseitig abzustechen, sondern um zusammen für den Frieden Zwiebeln zu schneiden“, fügt er lächelnd hinzu.

Alemian ist Mitbegründer der „Chefs for Peace“. Ins Leben gerufen wurde die Gruppe, als sich vier Chefköche – ein jüdischer Israeli, ein christlich-arabischer Israeli, ein Armenier und ein muslimischer Palästinenser – im Januar 2002 auf dem Höhepunkt der Intifada während eines Slow-Food-Festivals in Italien trafen. 

„Trotz aller Unruhen pflegten wir unsere Beziehungen weiter“, erklärt einer der Gründer, Küchenchef Avner Niv. „Entweder ich rief einen meiner palästinensischen Freunde an und fragte, ob er es wieder geschafft hat, durch die Straßensperre zu kommen, oder wir trafen uns im Haus eines anderen, um gemeinsam zu kochen. Eines Tages kam uns der Gedanke, aus diesen privaten Ak­tionen etwas Offizielles zu machen.“

Schnell wurde ihnen klar, wie viel sie voneinander lernen konnten. „Seitdem sind meine besten Lehrer palästinensische Mütter“, erklärt der jüdische Chefkoch Mo­she Basson. Mit ihnen spricht er so gut arabisch wie mit seinen Vettern hebräisch. Auf den Gemüsemärkten Jerusalems tauscht er mit palästinensischen Marktfrauen Rezepte aus. 

Sein Freund und Kochkünstler ist Ibrahim Abu Seir. Der Palästinenser arbeitet als Chefkonditor in einem israelischen Luxushotel und kennt die koschere Küche mindestens so gut wie eine jüdische Hausfrau. „Unsere Botschaft ist einfach“, sagt Abu Seir: „Menschen, die zusammen leben und arbeiten, schaffen Frieden vor Ort. Für uns geschieht das jeden Tag, in der Küche und am Tisch. Dazu muss man kein Politiker sein.“

„Seit unserer Gründung haben Tausende von Menschen auf der ganzen Welt ihre Herzen, Seelen und Körper beim ‚Brotbrechen‘ genährt und dabei die Botschaft verstanden, dass dies eine schmackhafte und kraftvolle Möglichkeit ist, Frieden und Gemeinschaft zwischen Menschen unterschiedlichen Glaubens zu fördern“, erklärt Kevork Alemian.

Die Köche wurden in lokalen und internationalen Spitzengastronomie-Einrichtungen ausgebildet und arbeiten in Fünf-Sterne-Restaurants, Cafés oder Hotels. „Die besondere Verbindung, die uns als ‚Köche für den Frieden‘ zusammen hält, wurzelt nicht nur in der Liebe zum Essen, sondern zu den Menschen aller Glaubensrichtungen und Nationalitäten“, sagt Alemian. 

Das preisgekrönte Küchenteam, das aus 20 Männern und Frauen besteht, glaubt an die universelle Kraft des Essens bei der Vermittlung gemeinsamer positiver Erfahrungen, die auf gegenseitigem Respekt basieren. Aus diesem Verständnis heraus organisieren die „Chefs for Peace“ Veranstaltungen für Organisationen, Gruppen und Einzelpersonen, die sich für Koexistenz, Toleranz und Frieden einsetzen: interreligiöse Zusammenkünfte, private Feiern und Galas, Geschäfts- oder Firmenveranstaltungen, Aktionen für Jugendgruppen, spezielle Kochkurse für Juden und Araber sowie kulinarische Führungen durch Jerusalems Altstadt und durch den Freiluftmarkt „Machane Yehuda“ in Westjerusalem.

Der Friedenseinsatz der Köche hat inzwischen weitere Kreise gezogen. Die Jüdin Elisa Moed und die Palästinenserin Christina Samara organisieren kulinarische Begegnungen mit Einwohnern in Israel und im Palästinensergebiet. Dabei kam es zu einer völkerversöhnenden Liebesgeschichte zwischen dem Araber Yakub Barhum und der jüdischen Köchin Michal Baranes. Inzwischen haben die beiden ihren Traum vom Frieden im Nahen Osten auf ihre Weise in ihrem kleinen Restaurant auf den Hügeln in Majda verwirklicht.

Karl-Heinz Fleckenstein

26.01.2018 - Nahost