Bischof Feige über Europa:

Menschenfeinde "gesellschaftsfähig"

Der Magdeburger Bischof Gerhard Feige sieht in Europa besorgniserregende gesellschaftliche Entwicklungen. Dort stehe "das Gemeinwohl auf dem Spiel", sagte Feige am Wochenende beim traditionellen Karlsamt im Frankfurter Kaiserdom. Er fügte hinzu: "Nächstenliebe wird immer mehr zum Fremdwort und Menschenfeindlichkeit gesellschaftsfähig."

Seit längerem nähmen in Europa Vorurteile und Abgrenzungen wieder zu, seien Eigeninteressen wichtiger als Solidarität. Das abgebrannte Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos sei ein "zutiefst beschämendes Zeichen", sagte Feige. Dass Geflüchtete zudem in Bosnien bei eisiger Kälte ihrem Schicksal überlassen würden und andere "weiterhin im Mittelmeer ertrinken", sei ein Skandal.

Es sei notwendig, Europa wieder eine Seele zu schenken, sagte der Bischof. Europa sei von seinen Ursprüngen her nicht nur ein Wirtschaftsverbund, sondern ebenso eine Kultur- und Wertegemeinschaft mit einem jüdisch-christlichen Erbe.

Allerdings dürfe nicht verschwiegen werden, "dass vieles am Christentum auch sehr irdisch ist und Menschen schwer enttäuschen kann", sagte Feige. "Immer wieder stellen Versagen und Sünde, ja sogar Skandale und Verbrechen unsere Glaubwürdigkeit in Frage." Aktuell gehörten dazu "der sexuelle Missbrauch Minderjähriger und mancher willkürliche Umgang mit Macht", sagte der Bischof und fügte hinzu: "Da sind - weil wir gerade ein so edles Bild vom Menschen haben und hohe moralische Ansprüche vertreten - Transparenz und Bekehrung vonnöten, Buße und Erneuerung!"

Auch in Deutschland verschärften sich gesellschaftliche Spannungen, erklärte der der Bischof weiter. In den Sozialen Medien würden zunehmend irrationale Empörungswellen und Hasslawinen ausgelöst. Rechtsextreme und populistische Gruppierungen erstarkten, sagte Feige. Christen müssten gerade in dieser Situation für Demokratie, Frieden, Toleranz und Solidarität einstehen, "ja sogar für Barmherzigkeit und Liebe".

Feige äußerte sich zuvor in einem "Domgespräch" auch zum Miteinander der beiden großen Kirchen. Der Vorsitzende der Ökumenekommission der Deutschen Bischofskonferenz warb für einen langen Atem. Es habe "schon erfreulichere Phasen" gegeben, in denen ein ökumenischer Aufbruch zu spüren gewesen sei. Es gebe derzeit "manche Schwierigkeiten, die dann wieder zu Stagnation führen".

Das Karlsamt wird seit 1332 zum Gedenken an den Todestag Kaiser Karls des Großen gefeiert, der am 28. Januar 814 starb. Seit mehr als 600 Jahren gedenken die Frankfurter Katholiken immer am letzten Samstag im Januar des "Vaters des Abendlands" und beten für eine gute Zukunft Europas.

KNA

01.02.2021 - Bischöfe , Europa , Gesellschaft