Trotz Corona-Pandemie

Dringender Ethikrats-Appell: Mindestmaß an Kontakten in Pflege

Der Deutsche Ethikrat wirbt in einer Ad-hoc-Empfehlung eindringlich für ein Mindestmaß an sozialen Kontakten in der Langzeitpflege. "Die Langzeitpflege stellt einen besonderen, ethischen Brennpunkt in dieser Pandemie da", sagte die Ethikrats-Vorsitzende Alena Buyx am Freitag in Berlin. Das Risiko, an einer Covid-19-Infektion zu sterben, sei in der Langzeitpflege besonders hoch, und zugleich seien die Beschränkungen besonders hart für Bewohner und Mitarbeiter in einer Pflegeeinrichtung. Umso wichtiger sei es, den Menschen ein Mindestmaß an sozialen Kontakten zu garantieren.

Ethikrat-Mitglied Andreas Kruse wies auf die bereits schwierige Personallage in der Pflege vor der Pandemie hin. Diese Notlage sei viel zu lange ignoriert worden. Daher müssten nun in der Pflege in dieser besonderen Situation alle finanziellen Ressourcen mobilisiert und auch neue Kräfte gewonnen werden, etwa Medizinstudenten, Ehemalige oder geschulte Ehrenamtliche. Auch dürfe etwa ein Gruppenangebot in Heimen unter keinen Umständen eingestellt werden.

Ethikrat-Mitglied und Theologe Andreas Lob-Hüdepohl betonte: "Selbstbestimmung und soziale Teilhabe sind Ausdruck von Menschenwürde." Auch wenn ein Mindestmaß der sozialen Kontakte gesetzlich festgehalten sei, müsse es auch praktisch umgesetzt werden. Hier richte sich der Appell auch an die Einrichtungsleitungen. "Kontaktverbote sind oftmals Ausdruck höchster Not." Daher sei es wichtig, geschulte Freiwillige oder ehemalige Mitarbeiter einzubinden, um die Pflegekräfte zu entlasten.

In der Empfehlung schreibt der Ethikrat, dass ein Mindestmaß an sozialen Kontakten nicht abstrakt und generell, sondern aus der individuellen Sicht des Bewohners und der Lebenssituation bestimmt werden sollte. Dabei gehe es nicht nur um Quantität, sondern auch um die Qualität der Kontakte. Das Einhalten dieses Mindestmaßes sollte auch kontrolliert werden, betonte Buyx.

Weiter heißt es in der Empfehlung, dass, vor allem wenn Angehörige fehlten, auch bürgerschaftlich engagierte Personen einbezogen werden sollten. Auch sei es denkbar und sinnvoll, virtuelle Kontakte anzubieten und zu unterstützen. "Es muss jedoch immer auch die Möglichkeit zu physischem Kontakt gegeben sein, wenn dieser erwünscht ist." Für Sterbende müsse eine kontinuierliche Begleitung durch An- und Zugehörige wie auch - falls erwünscht - durch Seelsorgende gewährleistet werden.

KNA

18.12.2020 - Corona , Ethik , Pflege