Kein Schlussstrich

Ex-Heimkinder fordern 500 Euro Opferrente

Der Verein ehemaliger Heimkinder (VEH) fordert eine monatliche Opferrente von 500 Euro, die nicht auf andere Sozialleistungen angerechnet wird. Sie habe die Befürchtung, Politik, Kirchen und Gesellschaft wollten einen Schlussstrich unter dieses düstere Kapitel der Geschichte ziehen, sagte VEH-Sprecherin Doris Petras. Daher habe der Verein gestern einen Offenen Brief an die katholische Deutsche Bischofskonferenz veröffentlicht, dem weitere Briefe und Aktionen folgen sollen - als nächstes an die evangelische Kirche, aber danach auch an Jugendämter, Ärzteverbände, die Pharmaindustrie und andere mehr.

In dem Offenen Brief wirft der Verein der katholischen Kirche vor, immer noch zu wenig zu tun, um den ehemaligen Heimkindern zu helfen, trotz aller Traumata aus der Zeit im Heim ein einigermaßen normales Leben führen zu können. „Diese Chance hatten die meisten bisher noch nie in ihrem Leben“, sagte Petras: „Viele haben einfach keine Kraft mehr, sind vereinsamt und konnten nie richtig arbeiten und damit auch nie eine vernünftige Rente erwirtschaften.“

Zu dem Offenen Brief wolle sich die Bischofskonferenz „wie grundsätzlich zu allen Offenen Briefen“ nicht äußern, hieß es auf Anfrage. In einem früheren Brief an den VEH hatte der Sekretär der Bischofskonferenz, Pater Hans Langendörfer, unter anderem zugesagt, sich gemeinsam mit der evangelischen Kirche für eine Reform des Opferentschädigungsgesetzes OEG und weitere „betroffenenfreundliche Regelungen“ im Entschädigungsrecht einzusetzen. Außerdem hatte er auf die Beteiligung der Kirchen am „Fonds Heimerziehung“ und an der „Stiftung Anerkennung und Hilfe“ hingewiesen.

Aus Sicht des Vereins reicht dies bei weitem nicht aus, erklärte Sprecherin Petras - „genau wie die vielen Entschuldigungsveranstaltungen“ von Kirchen und Ministerien. Die bisher gezahlten Hilfen seien „nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein“, zudem seien „die Hürden oft viel zu hoch“, um überhaupt Hilfe zu bekommen. Die katholische Kirche müsse sich nicht nur selbst bewegen, sondern auch ihren Einfluss in Politik und Gesellschaft geltend machen, um die Opferrente durchzusetzen, forderte Petras.

Mehr als 800.000 Kinder und Jugendliche sollen zwischen 1945 und den 1970er Jahren - in der DDR bis 1990 - in staatlichen und kirchlichen Heimen untergebracht gewesen sein, etwa 500.000 davon in konfessionellen Einrichtungen. Und das unter teils drastischen Bedingungen, mit schweren Strafen, mangelhafter Betreuung und Zwang zur Arbeit.

2012 hatten Bund, Länder und Kirchen den „Fonds Heimerziehung“ ins Leben gerufen, 2017 die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“. Dort können sich ehemalige Heimkinder bis Ende 2020 melden, um eine Entschädigungspauschale von 9.000 Euro und gegebenenfalls Rentenersatzzahlungen von bis zu 5.000 Euro zu beantragen.

KNA

19.06.2019 - Deutschland , Gesellschaft , Kinder