Intensivmediziner fordern:

Statt Impfpflicht besser Gehaltsplus für Pflegende

Führende Intensivmediziner haben eine Impfpflicht für einzelne Berufsgruppen abgelehnt und stattdessen finanzielle Anerkennung für Pflegekräfte gefordert. "Wir brauchen statt einer Impfpflicht für das Pflegepersonal ein echtes Signal der Anerkennung, beispielsweise mit Brutto-wie-Netto-Gehältern bis zum Ende der Pandemie", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Gernot Marx. "Im Gesundheitssektor sind die meisten Mitarbeiter ohnehin geimpft. Die Debatte erweckt nur den Eindruck von Misstrauen seitens der Politik."

Dagegen sprach sich die geschäftsführende Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Claudia Schmidtke (CDU), für eine berufsbezogene Impfpflicht aus. Auch sie habe sich gewünscht, dass eine solche Pflicht nicht notwendig werde, erklärte Schmidtke.

Der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, spricht sich nach anfänglicher Skepsis nun doch für eine mögliche Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitssektor aus. Er forderte eine zentrale Erfassung der entsprechenden Impfzahlen. "Ich kenne Aussagen von Einrichtungen, in denen nahezu 90 Prozent geimpft sind. Und es lassen sich derzeit noch viele impfen", sagte Westerfellhaus.

Intensivmediziner Marx sagte, die Lage auf den Intensivstationen in Bayern und Sachsen sei " teils bereits extrem angespannt". Dort seien deutlich weniger als 10 Prozent der Intensivbetten für Notfallpatienten frei; "ideal" seien 20 Prozent.

"Derzeit kann überall eine uneingeschränkte Versorgung von Schwerstkranken gewährleistet werden", sagte der Mediziner. "Doch das Ziel muss ja sein, gar nicht erst an die echten Kapazitätsgrenzen zu kommen, wie das einst in Italien und anderen europäischen Ländern der Fall war." Er forderte bundeseinheitliche Regeln für weniger Kontakte und deutlich mehr Tempo bei den Booster-Impfungen, um die vierte Welle zu brechen.

Die deutschen Hausärzte forderten ebenfalls bei dem Thema einen "geordneten Ablauf" sowie einen Fokus auf besonders gefährdete Gruppen. "Zuvorderst müssen die vulnerablen Gruppen, laut Ständiger Impfkommission Personen über 70 Jahre sowie chronisch Erkrankte, eine Booster-Impfung erhalten", sagte Hausärzte-Verbandschef Ulrich Weigeldt. "Diskussionen darüber, die ganze Bevölkerung quasi gleichzeitig ein drittes Mal zu impfen, helfen in der Impfkampagne nicht weiter."

Denn jüngere und gesündere Menschen seien in der Regel auch sechs Monate nach der zweiten Impfung gut geschützt und könnten gegebenenfalls auch ohne Problem etwas später geboostert werden. "Die Hektik durch eine desolate Krisenkommunikation, die auch durch die geschäftsführende Bundesregierung fortgesetzt wurde, führt nur zu unnötigem Stress in den hausärztlichen Praxen und trägt zumindest nicht zu Beschleunigung der Impfkampagne bei", sagte Weigeldt.

Unterdessen geht der Vorsitzende der Ständigen Impfkommission (Stiko) am RKI, Thomas Mertens, davon aus, dass die Kommission eine Empfehlung für Booster-Impfungen ab 18 Jahren abgeben wird. Am Dienstagabend kündigte Mertens in der ZDF-Talkshow von Markus Lanz an, die Stiko werde am Mittwoch erneut darüber beraten.

KNA

17.11.2021 - Corona , Impfung , Pflege