Widerspruchslösung bei Organspende

Kirchen haben große Bedenken

Die beiden großen Kirchen haben „erhebliche rechtliche, ethische, und seelsorgerische Bedenken“ gegen die Einführung einer sogenannten Widerspruchslösung bei der Organspende. Das geht aus einem gemeinsamen Schreiben der Vertreter beider Kirchen in Berlin an alle Abgeordneten des Bundestags hervor. Nach der Widerspruchslösung gilt jeder Mensch gleichsam automatisch als Organspender, sofern er dem nicht ausdrücklich widersprochen hat. Das wäre ein Systemwechsel, denn derzeit gilt in Deutschland eine Zustimmungslösung. Danach kann eine Organentnahme nur stattfinden, wenn der Patient ausdrücklich zugestimmt hat. Ersatzweise können auch die Angehörigen zustimmen.

Nach Ansicht der Kirchen würde der Staat mit einer Widerspruchslösung „tief in den Kernbereich der menschlichen Existenz und Würde“ eingreifen. „Das entspräche nicht unserem christlichen Bild des selbstbestimmten, aufgeklärten Menschen“, heißt es in dem Schreiben.

Der Bundestag will voraussichtlich Mitte Januar über eine Neuregelung der Organspende entscheiden. Dazu liegen zwei konkurrierende Gesetzentwürfe von Abgeordnetengruppen aus verschiedenen Fraktionen vor. Der Fraktionszwang mit bei der Abstimmung aufgehoben.

Die Widerspruchslösung wird von einer Gruppe von Abgeordneten um Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach getragen. Demnach soll der Bürger die Möglichkeit haben, seine Haltung zur Organspende in ein Online-Register einzutragen.

Eine zweite Gruppe von Abgeordneten um die Grünen-Vorsitzende Annalena Baerbock und den ehemaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) will im Grundsatz am geltenden System festhalten aber die Entscheidungsbereitschaft stärken. Auch hier soll der Bürger seine Entscheidung in einem Onlineregister dokumentieren, ändern und widerrufen können.

Die Kirchen sehen in der Zustimmungslösung den geeigneteren Weg, um die Zahl der Organspenden zu steigern und die „erfreulich hohe Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung in eine individuelle Organspendebereitschaft zu überführen“. Der Respekt vor der Selbstbestimmung und die persönliche Begleitung stärke das Vertrauen in die Transplantationsmedizin.

Die Widerspruchslösung würde das Vertrauen in die Transplantationsmedizin dagegen eher schwächen, meinen die Kirchen. Erstmals würde mit ihr die im deutschen Medizinrecht immer geforderte informierte und explizite Einwilligung des Patienten zu einem Eingriff ersetzt - und das in einem besonders sensiblen Bereich, warnen die Kirchen.

KNA

20.12.2019 - Gesundheit , Kirchen , Politik