Erinnerung wachhalten

Kirchen und Juden gedenken gemeinsam der Novemberpogrome

Spitzenvertreter der Kirchen und des Judentums in Deutschland haben der Novemberpogrome von 1938 gedacht. Gemeinsam forderten sie am Donnerstag in Würzburg dazu auf, die Erinnerung an die Verbrechen von damals wachzuhalten, demokratische Grundwerte zu verteidigen und ein respektvolles Miteinander zu fördern.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, weder Antisemitismus noch Hetze gegen Muslime dürften normal werden. Der Judenhass mancher Migranten mache ihn besorgt. Er könne aber nicht durch die Forderung "Deutschland den Deutschen" bekämpft werden, wie es die AfD tue. Trotz mancher beunruhigender Entwicklungen in Deutschland gelte es, auch die Unterschiede zu 1938 zu sehen. Damals habe der Staat die Gewaltakte gegen Juden initiiert, wobei die breite Bevölkerung schweigend zugeschaut habe. Heute schütze der Staat Minderheiten, und es sei auch nicht die Mehrheit, die Antisemitismus und Rassismus verbreite.

Der Zentralratspräsident äußerte sich beeindruckt über mehrere Demonstrationen der jüngeren Zeit. Viele seien für Toleranz und Weltoffenheit auf die Straße gegangen. "Ich spüre eine demokratische Aufbruchstimmung", sagte Schuster. "Das sind ermutigende Signale, die nach einem schwierigen Jahr 2018 und 80 Jahre nach den Novemberpogromen von 1938 sehr wertvoll sind."

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, betonte, Christen seien zur Solidarität mit Juden verpflichtet. "Ein Christ kann kein Antisemit sein", zitierte er Papst Franziskus. Christen müssten antijüdischen Vorurteilen widersprechen und antijüdischen Angriffen widerstehen. 1938 hätten viele Christen weggeschaut, das erfülle ihn mit Scham. Dem jüdischen Zentralratspräsidenten versprach der Kardinal, dass man kein weiteres Mal wegsehen werde. "Wir gehen Schulter an Schulter", so Marx. "Gottlob" drohten heute keine staatlich organisierten Pogrome. Heute stehe die Polizei vor Synagogen und anderen jüdischen Einrichtungen. "Das ist beruhigend, aber normal ist es nicht", sagte der Geistliche.

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, sagte, die Kirchen hätten im Umgang mit ihren "jüdischen Geschwistern" in der Vergangenheit viel Schuld auf sich geladen. Deswegen hätten sie jetzt eine besondere Verantwortung. Sie müssten "alles tun, damit das dumme antisemitische Denken, Reden und Handeln von Alt- und Neonazis, aber auch aus der Mitte der Gesellschaft, bei uns keinerlei Chance und keinerlei Einfluss hat". Der Bischof betonte: "Antisemitismus ist Gotteslästerung."

Schuster, Marx und Bedford-Strohm sprachen bei der städtischen Gedenkfeier am Platz der ehemaligen Synagoge in Würzburg. Anschließend diskutierten sie im jüdischen Gemeindezentrum über die Zukunft der Erinnerungskultur.

KNA

09.11.2018 - Deutschland , Historisches