Ehemalige Heimkinder

Land Nordrhein-Westfalen und Kirchen bitten um Verzeihung

Das Land Nordrhein-Westfalen und die Kirchen haben Gewalt- und Missbrauchsopfer in Psychiatrie- und Behinderteneinrichtungen der Nachkriegszeit um Verzeihung gebeten. „Was mich beschämt, ist die Tatsache, dass der Staat sie nicht schützen konnte“, sagte Landtagspräsident Andre Kuper am Mittwoch bei der Veranstaltung im Düsseldorfer Landtag. Nach Jahrzehnten des Schweigens müsse das Thema jetzt „in die Mitte unserer Gesellschaft“.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki sagte, wie die Opfer ihre Leiden nie vergessen könnten, so „dürfen wir als Kirche und Gesellschaft niemals vergessen, was geschehen ist und wie es geschehen konnte“. Dieses Nicht-Vergessen müsse einhergehen „mit einem glasklaren 'Nie wieder'“. Tausende Menschen hatten als Minderjährige in der Bundesrepublik bis 1975 (bis zur Reform der Kinder- und Jugendhilfe) und in der DDR bis 1990 in stationären Einrichtungen der Psychiatrie oder Behindertenhilfe Leid und Unrecht erfahren.

Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sprach von einer „schweren Schuld“, die Land und Gesellschaft auf sich geladen hätten: „Wir haben den Schwächsten in unserer Gesellschaft den nötigen Schutz und ein Leben in Würde versagt.“ Der Minister dankte den Betroffenen für ihre Beharrlichkeit im Ringen um Anerkennung. Das erst habe zur Gründung der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ geführt.

Bund, Länder und Kirchen hatten 2017 die Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ gegründet. Dort können sich ehemalige Heimkinder bis Ende 2020 melden, um eine Entschädigungspauschale von 9.000 Euro und gegebenenfalls Rentenersatzzahlungen von bis zu 5.000 Euro zu beantragen. In NRW haben laut Angaben bisher rund 2.000 Betroffene eine finanzielle Anerkennung erhalten.

Mehr als 800.000 Kinder und Jugendliche waren in der Nachkriegszeit in staatlichen und kirchlichen Heimen untergebracht, etwa 500.000 davon in konfessionellen Einrichtungen. Laut Berichten herrschten zum Teil drastische Bedingungen, mit schweren Strafen, mangelhafter Betreuung und Zwang zur Arbeit.

Bei der Veranstaltung unter dem Titel „Zuhören - Anerkennen - Nicht vergessen!“ kamen auch Opfer zu Wort. Der Betroffene Thomas Frauendienst berichtete von schwersten Misshandlungen in einem Heim. Dass er überlebt habe, sei selbst für Ärzte damals ein Wunder gewesen. Die Veranstaltung dürfe keinen Endpunkt markieren, forderte Frauendienst. Land und Kirchen müssten sich weiter für die Betroffenen einsetzen.

KNA

21.06.2019 - Gesellschaft , Kinder , Politik