Große Erwartungen

Menschenrechts-Appell vor deutscher EU-Ratspräsidentschaft

Vor Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft haben Nichtregierungsorganisationen die Wahrung der Menschenrechte angemahnt. Die Ratspräsidentschaft sei eine große Chance für Deutschland, aber letztlich zählten die Ergebnisse, so der Tenor am Donnerstag in Berlin. Bislang seien vor allem die Erwartungen groß und die versprochenen Projekte teils vage. Deutschland übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft für sechs Monate.

Amnesty-Generalsekretär Markus N. Beeko bekräftigte, dass es etwa bei den Themen Asyl- und Migration nicht einen EU-Pakt "um jeden Preis und auf Kosten der Menschenrechte und des international verbrieften Flüchtlingsschutzes" geben dürfe. Auch bei der Bekämpfung der Covid-19-Pandemie und deren Folgen müssten die Menschenrechte geachtet werden, Ungleichheiten abgefedert und der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden.

"Es wird eine entscheidende Zeit werden, in der die EU in wesentlichen Teilen entscheidet, ob sie auf der Seite derer steht, die Menschenrechte und Völkerrecht achten, verteidigen und garantieren – oder sich dem Spiel derjenigen hingibt, die ihre Stärke durch die Schwächung aller anderen und der internationalen Ordnung, ausbauen wollen", resümierte Beeko.

Das Deutsche Institut für Menschenrechte empfahl der Bundesregierung, Rechtsstaatlichkeit, insbesondere die Bewahrung der Unabhängigkeit der Justiz in Europa, oben auf die Agenda zu setzen. "Wenn die Unabhängigkeit der Justiz in einem EU-Mitgliedstaat bedroht ist, dann sind die Menschenrechte in allen EU-Mitgliedstaaten in Gefahr", sagte die Direktorin des Instituts, Beate Rudolf. Darüber hinaus sollte die Bundesregierung darauf hinwirken, dass nur Staaten mit unabhängiger Justiz Geld aus dem EU-Haushalt erhielten. Amnesty beklagte in diesem Kontext den "erschreckenden Abwärtstrend im Bereich Rechtsstaatlichkeit" in Polen.

Auch für Germanwatch bietet die EU-Führungsrolle eine große Chance. Die Agenda setze viele richtige Schwerpunkt etwa beim Klima oder den Menschenrechten, lobte die Nichtregierungsorganisation. Doch die angekündigte Ambition und Umsetzung der Ziele schwanke zwischen erfreulich ehrgeizig und viel zu vage. So blieben etwa die Ankündigung, sich für einen EU-Aktionsplan zur Stärkung der Unternehmensverantwortung in globalen Lieferketten einzusetzen, zu allgemein.

Bei mit EU-Geldern geförderten Investitionen nach der Corona-Krise werde indes am Ende nicht nachprüfbar sein, ob diese mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit kompatibel seien, monierte der Politische Geschäftsführer Christoph Bals weiter. Die Bürger erwarteten aber, dass Deutschland seiner Verantwortung in der EU gerecht werde.

KNA

26.06.2020 - Deutschland , Europa , Politik