Vertuschungsvorwürfe

Missbrauch erneut Thema am Rande der Bischofsvollversammlung

Am Rande der Bischofsvollversammlung in Fulda kam am Mittwoch das Thema Missbrauch erneut zur Sprache. Zum einen forderten Betroffene den Bundestag zum Eingreifen auf, zum anderen wurden neue Vertuschungsvorwürfe gegen Hamburgs Erzbischof Stefan Heße bekannt, die dieser umgehend zurückwies. Die Bischöfe selbst wollen am Donnerstag bekanntgeben, wie es mit Zahlungen an Betroffene zur Anerkennung des erlittenen Leids weitergehen soll.

Opfer von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche brachten eine entsprechende Online-Petition an den Petitionsausschuss des Bundestags auf den Weg, wie der Sprecher der Opfer-Initiative "Eckiger Tisch", Matthias Katsch, mitteilte.

In der Petition fordert die Initiative eine unabhängige Aufarbeitung auch bereits verjährter Verbrechen auf gesetzlicher Basis. Dazu solle eine "Wahrheits- und Gerechtigkeitskommission" eingesetzt werden, heißt es.

Die Opfer von Missbrauchsverbrechen und Vertuschung durch kirchliche Vorgesetzte müssten zudem "endlich angemessen entschädigt" werden. Die Politik müsse auch deshalb eingreifen, weil in der Kirche bisher niemand persönliche Verantwortung übernommen habe, sagte Katsch dem Deutschlandfunk.

Unterdessen wies der Hamburger Erzbischof Stefan Heße neue Vorwürfe zurück, nach denen er als Personalchef im Erzbistum Köln Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht habe. "Ich persönlich nehme für mich in Anspruch, dass ich meine Verantwortung wahrgenommen und nicht vertuscht habe", sagte er.

"Ich habe immer hin- und nicht weggeschaut", betonte Heße. Sicher seien auch ihm Fehler passiert, aber er könne ausschließen, dass er jemals versucht habe, Täter zu schützen oder Taten zu vertuschen. Heße ist seit 2015 Erzbischof von Hamburg und war zuvor ab 2006 Personalchef im Erzbistum Köln und ab 2012 dort Generalvikar.

Eine bisher unveröffentlichte Studie zu sexuellem Missbrauch im Erzbistum Köln wirft Heße eine "indifferente" und "von fehlendem Problembewusstsein" geprägte Haltung gegenüber dem Missbrauch Minderjähriger durch Kleriker vor.

Neben fehlender Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, wirft Katsch den Bischöfen außerdem vor, ihre bisherigen Entschädigungsangebote seien "kleinmütig". Die Bischofskonferenz sei zurückgerudert und spreche gar nicht mehr von Entschädigung und Schmerzensgeld, sondern nur noch von einer Anerkennung.

Bislang erhalten Opfer durchschnittlich eine Zahlung von 5.000 Euro, in Härtefällen auch mehr. Eine von der Bischofskonferenz eingesetzte unabhängige Arbeitsgruppe hatte zwischenzeitlich Summen bis zu 400.000 Euro vorgeschlagen. Jetzt will sich die Kirche an der zivilrechtlichen Schmerzensgeldtabelle orientieren. Diese sieht für sexuellen Missbrauch derzeit Summen zwischen 5.000 und 50.000 Euro pro Fall vor.

Katsch kritisierte, dass Opfer-Vertreter in die neuen Überlegungen nicht einbezogen worden seien. Die Anwendung der zivilrechtlichen Schmerzensgeldtabelle bezeichnete er als nicht angemessen. Bei der Entschädigung von Missbrauchsopfern in der Kirche müsse berücksichtigt werden, dass die Institution Kirche Missbrauch teilweise Jahrzehnte lang vertuscht und die Opfer missachtet habe.

Am Vormittag hatte die Initiative mit einer Kunstaktion auf dem Fuldaer Domplatz an die Opfer sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche erinnert. 50 über den gesamten Platz verteilte große weiße Luftballons sollten die bisher bekannten Tatorte des Missbrauchs in 27 Diözesen und 23 Ordensgemeinschaften symbolisieren.

KNA

24.09.2020 - Bischöfe , Finanzen , Missbrauch