"Wir tun nicht alles"

Rörig fordert mehr Einsatz gegen Missbrauch von Kindern in Krise

Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat Politik und Gesellschaft vorgeworfen, nicht genügend gegen den Missbrauch von Kindern zu unternehmen. "Der Missbrauch ist selbst eine Pandemie. Wir tun in Deutschland nicht alles - weder der Bund, noch die Länder und Kommunen -, um wirklich Kinder wirksam vor sexualisierter Gewalt und auch vor Kinderpornografie zu schützen", sagte Rörig im ARD-Morgenmagazin.

Angesichts der Corona-Krise fürchtet Rörig, dass die verordnete Isolation die Kinder noch mehr gefährde. "Viele Kinder erleiden in der Familie Vernachlässigung und auch sexuellen Missbrauch. Und dadurch, dass die Kontakte zu den Ansprechpartnern, zu den Vertrauenspersonen, Erzieherinnen und Erziehern in den Kitas, Lehrerinnen und Lehrern in den Schulen, im Moment oft unterbrochen sind, wird sich die Gefahr noch erhöht haben", warnte Rörig.

Die Politik könnte den Schwerpunkt stärker auf den Kinderschutz setzen, forderte der Missbrauchsbeauftragte. Familien- und Kinderschutz habe während der Corona-Krise keine Priorität gehabt. "Das hat schwere Folgen auch für die Kinder. Die Jugendämter waren von Anfang an nicht systemrelevant. Und dadurch gab es Probleme, Kontakt zu Jugendlichen in belastenden Lebenslagen zu halten", bedauerte Rörig.

Im Kampf gegen Kinderpornografie forderte der Missbrauchsbeauftragte eine EU-rechtskonforme Vorratsdatenspeicherung. "Der Markt der Kinderpornografie muss dringend ausgetrocknet werden", forderte Rörig. Die Täter dürften sich nicht mehr so sicher wie bisher vor Entdeckung fühlen. Die Rechte der Polizei müssten erweitert werden, wirksam im Darknet zu ermitteln.

Unterdessen verzeichnete die Telefonberatung "Nummer gegen Kummer" (kostenlose Telefonnummer 116111) einen deutlichen Anstieg der Beratungsgespräche von März auf April 2020. Anrufe seien um 50 Prozent gestiegen, erklärte die Fachreferentin der Organisation, Anna Zacharias, im Morgenmagazin. Kinder und Jugendlichen riefen vor allem wegen Zukunftsängsten, der Corona-Situation, Einsamkeit und Konflikten in der Familie an.

Um Kindern aufgrund der beengten Familiensituation auch weiterhin eine anonyme Gesprächsmöglichkeit gewährleisten zu können, biete die Organisation Kindern an, sich online, per Chat oder auch per Brief zu melden. Die Fachreferentin befürchtet aber auch, dass aufgrund der aktuellen Situation Gewalt und Missbrauch in Familien unerkannt bleibe.

KNA

12.05.2020 - Corona , Missbrauch , Politik