Bundespräsident Steinmeier:

30 Jahre Einheit sind Freude und Mahnung zugleich

Unter dem Motto "Wir miteinander" haben Spitzenvertreter aus Politik, Kirchen und Gesellschaft am Samstag in Potsdam 30 Jahre Deutsche Einheit gefeiert. Beim staatlichen Festakt in der Metropolis-Halle nannte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den 3. Oktober einen Tag "der Freude, der Erinnerung und Ermutigung". Vor 230 Gästen betonte er: "Keine Pandemie kann uns daran hindern". Wegen der Corona-bedingten Abstandsregeln waren es erheblich weniger Teilnehmer als bei den früheren Feiern.

Steinmeier hob den Beitrag der neuen Bundesländer zur Entwicklung des vereinten Deutschlands hervor. Ohne die "Ideen aus Ost und West wären wir nicht zu diesem modernen und erfolgreichen Land in der Mitte Europas geworden", sagte er. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung gebe es "immer mehr ostdeutsche Erfolgsgeschichten". Steinmeier sprach sich für eine Debatte über einen "herausgehobenen Ort" des Gedenkens an die Friedliche Revolution aus, der zusätzlich zu dem in Berlin entstehenden Einheitsdenkmal errichtet werden könnte.

Zugleich rief das Staatsoberhaupt auch dazu auf, "dass wir offen über Fehler und Ungerechtigkeiten sprechen und falschen Mythen, egal auf welcher Seite, entgegenwirken". So gebe es in Ostdeutschland noch immer "zu viele Geschichten von zerstörten Biografien und betrogenen Hoffnungen, von entwerteten Qualifikationen, von Orten, in denen eine ganze Generation fehlt, weil die Jungen dort keine Zukunft sahen und weggingen". Steinmeier mahnte: "Wir dürfen nicht ruhen, bis diese Benachteiligungen beseitigt sind, bis Zukunftschancen nicht mehr vom Leben in Ost und West abhängen."

Dabei gehe es auch um die Demokratie, betonte der Bundespräsident: "Wenn Menschen sich dauerhaft zurückgesetzt fühlen, wenn ihre Sichtweise nicht vorkommt in der politischen Debatte, wenn sie den Glauben an die eigene Gestaltungsmacht verlieren, dann darf uns das nicht kalt lassen. Dann bröckelt der Zusammenhalt, dann steigt das Misstrauen in die Politik, dann wächst der Nährboden für Populismus und extremistische Parteien." Der Bundesratspräsident und brandenburgische Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) betonte ebenfalls, das Zusammenwachsen von Ost und West sei "kein Selbstläufer" und werde weiterhin "Kraft und Zeit" kosten.

In dem vorausgegangenen ökumenischen Gottesdienst in der Kirche Sankt Peter und Paul sagte der katholische Erzbischof Heiner Koch, die Demokratie sei eine "innere Haltung", einander zuzuhören und verstehen zu wollen. Die Corona-Krise sei ein Ansporn, auf andere und ihre Gefühle Rücksicht zu nehmen, betonte der Erzbischof des Erzbistums Berlin. Dies sei vor allem mit Blick auf Minderheiten notwendig.

Der evangelische Landesbischof Christian Stäblein räumte ein, das Zusammenkommen von Menschen sei "ein langer Prozess, von dem Eins-Werden in diesem Land her wissen wir es, vom Eins-Werden in Europa auch, von Eins-Werden in der Welt erst recht". Der Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz rief dazu auf, die Hoffnung darauf mit anderen zu teilen, "gerade auch mit denen, die im Moment für Gerechtigkeit und Freiheit weggesperrt werden, die wir nicht hören – ob in Belarus oder Hongkong".

KNA