"Visionäre Kraft"

Trauer um gestorbenen Theologen Schockenhoff

Vertreter aus Kirche und Politik haben den gestorbenen Theologen Eberhard Schockenhoff gewürdigt. Der 67 Jahre alte Freiburger Professor war am Samstag in Freiburg an den Folgen eines Unfalls gestorben. Schockenhoff, der lange dem Deutschen Ethikrat angehört hatte, war einer der renommiertesten deutschen Theologen.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, hob am Sonntag Schockenhoffs "visionäre Kraft in seinem theologischen Forschen und Reden ebenso wie seine bemerkenswerte analytische Brillanz" hervor. Er habe nie mit einem erhobenen Zeigefinger gelehrt oder in Verbotskategorien gedacht. Der Bischof bezeichnete Schockenhoffs wissenschaftliches Gesamtwerk "als eine menschendienliche Moraltheologie".

Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger äußerte sich betroffen. Schockenhoff sei der Erzdiözese in vielfältiger Weise verbunden gewesen. "Die Erzdiözese Freiburg und die Katholische Fakultät sind ihm sehr zu Dank verpflichtet. Wir verlieren mit ihm einen engagierten sowie geschätzten Theologen und Priester."

Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst nannte Schockenhoff einen der profiliertesten Moraltheologen und Sozialethiker. Er habe den gesellschaftlichen Diskurs in bio- und medizinethischen Fragen beeinflusst. Fürst würdigte den Rottenburger Diözesanpriester als Priester und Wissenschaftler, "für den Ehrlichkeit und Authentizität und die Frage des Gewissens stets Vorrang vor wirtschaftlichen oder politischen Interessen hatten".

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, äußerte "hohe Wertschätzung und tief empfundenen Dank". Schockenhoff habe eine zeitgerechte Sexualmoral entwickelt. Sein Denken sei in der Gegenwart verankert, aber nicht gegen die Traditionen der Kirche gerichtet gewesen.

Geboren 1953 in Stuttgart studierte Schockenhoff Theologie, zunächst in Tübingen, dann in Rom, wo er 1978 zum Priester geweiht wurde. Er promovierte bei Alfons Auer und war Assistent des späteren Kurienkardinals Walter Kasper in Tübingen. Anfang der 1990er Jahre wurde Schockenhoff als Professor für Moraltheologie nach Regensburg berufen, 1994 wechselte er nach Freiburg.

Seit 2001 war Schockenhoff Mitglied des Nationalen Ethikrats, von 2008 bis 2016 des Deutschen Ethikrats, dessen Vizevorsitzender er vier Jahre war. 2016 übernahm er die Präsidentschaft des Katholischen Akademischen Ausländerdienstes (KAAD). Besonders bei Lebenswissenschaften und Bioethik war er ein gefragter Experte.

Schockenhoff veröffentlichte viele wissenschaftliche Studien. Innerkirchlich war er ein wichtiger Vermittler und Ansprechpartner. So engagierte er sich für eine Sexualethik, die sich an den verschiedenen Lebenswirklichkeiten orientiert. Auch in den aktuellen Beratungen über die Zukunft von Kirche und Seelsorge, dem Gesprächsprozess Synodaler Weg, beteiligte er sich an zentraler Stelle.

Die Vorsitzende des Katholisch-Theologischen Fakultätentags, Johanna Rahner, erklärte, Schockenhoffs Tod sei nicht nur ein großer Verlust für die wissenschaftliche Theologie, sondern für die Gesellschaft insgesamt. In der katholischen Ethik habe der Theologe sehr viele Türen aufgestoßen und die katholische Sexualmoral vorangebracht. Für den Synodalen Weg, bei dem Schockenhoff sich im Forum Sexualität engagiert hatte, sei dessen Tod eine Katastrophe.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) würdigte Schockenhoff als einflussreichen Theologen. Dessen Beiträge zu kirchlichen und gesellschaftlichen Debatten seien von "visionären Ideen" geprägt.

KNA

20.07.2020 - Personalien , Theologie , Trauer