Plan zur Neuregelung

Wissenschaftsakademie schlägt Rahmen für Suizidbeihilfe vor

Mitglieder der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina haben Vorschläge für eine Neuregelung der Suizidbeihilfe vorgelegt. In einem am Donnerstag in Halle und Berlin veröffentlichten Positionspapier fordern die Mediziner, Juristen und Ethiker ein "ausbalanciertes System", das einerseits das Selbstbestimmungsrecht und die Entscheidungsfreiheit jedes Menschen achtet, andererseits aber allen Betroffenen eine "Hinwendung zum Leben" durch Beratungs- und Hilfsangebote, palliativmedizinische und hospizliche Versorgung sowie ein Informations-, Beratungs- und Begleitungsnetzwerk erleichtert. Kritik kam von der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Beihilfe zur Selbsttötung aufgehoben. Die Selbsttötung und die Möglichkeit, dabei die Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen, gehörten zum Recht auf Selbstbestimmung, so die Richter. Sie forderten die Politik auf, einen Rahmen für Suizidbeihilfe festzulegen und Missbrauch zu verhindern. An dem Diskussionspapier der Leopoldina ist auch der Jurist Andreas Voßkuhle beteiligt, der als damaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts das Urteil zur Suizidbeihilfe verkündet hatte.

Konkret sprechen sich die Wissenschaftler dafür aus, dass grundsätzlich nur die Entscheidung von Volljährigen als Ausdruck eines autonom gebildeten Suizidwillens anerkannt werde. Lediglich in besonderen medizinischen Ausnahmefällen und bei gravierendem Leidensdruck sollte auch eine entsprechende Entscheidung Jüngerer anerkannt werden.

Die Wissenschaftler betonen, dass eine umfassende Information zu Behandlungs-, Begleitungs- und psychosozialen Kriseninterventionsangeboten sichergestellt werden müsse. Dabei sei insbesondere darauf zu achten, dass kein äußerer Druck auf Suizidwillige ausgeübt werde. Bewertung der Freiverantwortlichkeit und Durchführung der Suizidassistenz müssten personell und organisatorisch getrennt werden.

Ärzte verschiedener Disziplinen müssten sicherstellen, dass psychische oder medizinische Gründe nicht vorliegen, die eine autonome Entscheidung ernsthaft infrage stellen. Die Autoren plädieren dafür, dass kommerzielle Angebote der Suizidassistenz sowie Werbung dafür verboten werden. Um Suizide zu ermöglichen, müssten das Betäubungsmittelgesetz sowie das ärztliche Berufsrecht angepasst werden. Alle assistierten Suizide müssten in einem Register erfasst werden; eine unabhängige Kommission soll die Praxis der Suizidassistenz jährlich auswerten und einen Bericht veröffentlichen. Außerdem soll die Begleitforschung zu Suizidprävention und Suizidassistenz gefördert werden.

Die Stiftung Patientenschutz begrüßte, dass die Leopoldina die gewerbsmäßige Suizidassistenz unter Strafe stellen will. Erstaunlich unkonkret blieben die Autoren allerdings bei den sogenannten Schutzkonzepten, erklärte Vorstand Eugen Brysch. So seien schon ausreichend psychische, pflegerische und medizinische Hilfsangebote nicht für jeden Suizidwilligen verfügbar. "Vor diesem Hintergrund bleibt die Beurteilung einer freiverantwortlichen Entscheidung reine Theorie." Brysch forderte, dass Anbieter der Hilfe zur Selbsttötung die Verantwortung dafür übernehmen müssten, dass die Selbstbestimmung des Suizidwilligen gewahrt bleibe. "Dafür gilt es, enge rechtliche Maßstäbe zu setzen."

KNA