Aschermittwoch der Künstler

Für „Dienst an der Wahrheit“

AUGSBURG  – „Bedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst.“ Die Worte zur Auflegung des Aschenkreuzes an diesem Tag stellte Diözesan­administrator Prälat Bertram Meier beim Gottesdienst zum Aschermittwoch der Künstler ins Zentrum seiner Predigt. Nach der Liturgie erfuhren die Gäste im Dom in einem Vortrag von einem neuen Deutungsansatz zum Bildprogramm des aus dem elften Jahrhundert stammenden Bronze­portals der Bischofskirche.

Für den musikalischen Rahmen sorgte das vierköpfige Vokalensemble „The Obsidian Collective“, dem auch Domkapellmeister Stefan Steinemann angehört. Während die Schola der Domsingknaben unter seiner Leitung den Vorsängerpart bei den Ordinariumsgesängen aus der gregorianischen Choralmesse übernahm, boten die zwei Männer und zwei Frauen im Gottesdienst und im anschließenden Programm Gesänge der frühen Mehrstimmigkeit dar. Begleitet wurden diese teilweise von Organetto (einer mittelalterlichen Trageorgel) und einer kleinen gotischen Harfe. „Gesänge, die in hervorragender Weise in unsere gotische Kathedrale hineinpassen“, lobte der Zelebrant Prälat Meier die musikalische Gestaltung.

Ein zynisches Wort

In seiner Predigt bezeichnete Meier das Wort vom Menschen, der Staub ist, als „fast zynisch und grausam“. Zum ersten Mal notiert worden sei es in der Zeit des Königs Salomon als ein „Memento homo“, das alle meint: „die auf den Thronen genauso wie die auf dem Acker“.

Von den „Wunden und dunklen Abgründen des Menschen“ spreche aber nicht nur die Bibel, sondern auch die Kunst, erklärte der Diözesan­administrator. „Unser Herz hungert nach dem Bleibenden, Ewigen, nach dem Heil. Findet diese Sehnsucht nicht einen besonderen Ausdruck in der Kunst?“, fragte der Prediger. Damit verband Meier einen Dank an die anwesenden Künstlerinnen und Künstler für ihren „Dienst an der Wahrheit über den Menschen. In Ihrem künstlerischen Schaffen machen Sie die Wirklichkeit der Welt durchsichtig auf Gottes Licht hin“, würdigte er deren Wirken.

Schließlich spannte der Prälat den Bogen zum Ende der Fastenzeit, zum „Ecce homo“, den Worten des Pilatus am Karfreitag. „Wir sind eingeladen, diesen Weg vom ‚Memento homo‘ zum ‚Ecce homo‘ mitzugehen, vom Geheimnis des Menschen zum Mysterium der Erlösung.“

Nach dem feierlichen Gottesdienst, dem als Konzelebranten auch die Weihbischöfe Josef Grünwald, Anton Losinger und Florian Wörner vorstanden, wurde im nahezu voll besetzten Dom umgebaut. Vor dem Altartisch kam eine große Leinwand zu stehen, auf die der Lichtkegel eines Digitalprojektors gerichtet wurde. Denn den nun folgenden künstlerischen Teil des Programms sollte ein Vortrag der Augsburger Kunsthistorikerin und Privatdozentin Dorothea Diemer bilden.

Entfernt und restauriert

In rund einjähriger Forschungsarbeit gemeinsam mit ihrem Mann, dem Philologen Peter Diemer, hat sie das Bildprogramm des mittelalterlichen Bronzeportals des Augsburger Doms erforscht und zu deuten versucht. Vor 20 Jahren hatte man das Portal, das mit 35 gegossenen Bronzetafeln versehen ist, zum Schutz vor weiterer Zerstörung durch Luftschadstoffe entfernt und nach aufwändiger Restaurierung in das Diözesanmuseum St. Afra wenige Meter hinter dem Dom verbracht. Ersetzt wurde es durch ein Portal, das der der Münchner Bildhauer Max Faller als Hommage an das ursprüngliche Tor ebenfalls mit Bronzereliefs schmückte.

Eine „rhätselhafte Thüre“ hatte schon vor 150 Jahren der damalige Dompropst das mittelalterliche Portal genannt, erinnerte Diemer in ihrem Vortrag. Man wisse „nichts Sicheres über ihre Entstehungszeit, ihren Auftraggeber, ihren ursprünglichen Ort an der Kirche. Noch verstörender aber die Frage: Was bedeuten diese Figuren?“ 

 Denn neben wenigen biblischen Motiven wie etwa Samson, der einen Löwen tötet, gibt es zu einem Großteil der Szenen auf dem Portal „keinerlei Vergleich oder Textbezug“, erläuterte die Kunsthistorikerin. Anhand von Vergleichen mit Bildern aus mittelalterlichen Handschriften und Artefakten aber konnte sie in vielen der Motive Darstellungen von Sternbildern erkennen. So ließ sich ein Mann, der ein Gefäß emporhebt, als Wassermann und ein bogenschießender Kentaur als Schütze deuten. „Eine Tür mit Sternzeichen, ein Sternentor für seinen Dom machen zu lassen, das zeugt von herrscherlichem Selbstbewusstsein“, schloss Diemer ihren Vortrag. 

Nach einer Einordnung dieser Deutung in einen theologischen Kontext durch Professorin Gerda Riedl, die Leiterin der Hauptabteilung Grundsatzfragen im Ordinariat, wurden die Gäste zur gemeinsamen Begegnung und Stärkung in den Kolpingsaal entlassen. 

Ulrich Schwab