Gegen den Hunger

Auftrag zur Nächstenliebe

ULM – Den beiden großen Hilfswerken der katholischen und der evangelischen Kirche in Deutschland – Misereor und Brot für die Welt – widmet das Museum der Brotkultur in Ulm die Ausstellung „Für eine bessere Welt“. Historische Plakate und aktuelle Projekte beleuchten Geschichte und Gegenwart beider Organisationen. Ein Begleitprogramm vertieft den Ausstellungsinhalt.

Als Wegbereiter des Bischöflichen Hilfswerks Misereor gilt der Kölner Priester Jakob Alfons Holl. Nach einer mehrmonatigen Asienreise im Jahr 1958, auf der er in Kalkutta auch Mutter Theresa begegnete, machte Holl das Generalvikariat des Kölner Erzbischofs auf das Elend dort aufmerksam. Josef Kardinal Frings gewann noch im selben Jahr die Fuldaer Bischofskonferenz für Hilfsmaßnahmen. In der Folge entstand das Hilfswerk Misereor (lateinisch: „Ich erbarme mich“).

Im Jahr darauf riefen die evangelischen Kirchen in Deutschland zur Aktion Brot für die Welt auf. Sie rea-
gierten auf eine Hungersnot in Indien, unter der gut zwölf Millionen Menschen litten. Vorgesehen war zunächst nur diese einmalige Sammlung, die in beiden Teilen des damals noch getrennten Landes 24 Millionen Mark aufbrachte. Der Berliner Künstler Rudi H. Wagner schuf das Symbol der „Hungerhand“, das für die Aktion warb und auf tausenden Sammelbüchsen angebracht war. 

Als Kuratorin der Ulmer Ausstellung begründet Marianne Honold den großen Erfolg beider Hilfswerke mit dem Bedürfnis der Deutschen, ihren Dank für selbst erfahrene Hilfe auszudrücken. Als Deutschland am Ende des Zweiten Weltkriegs in Trümmern lag, halfen die einstigen Feinde mit Spenden, allen voran die Vereinigten Staaten mit den legendären „Care-Paketen“. Sie brachten hunderttausenden Familien in bitterer Not etwas Hilfe. Es folgte der Marshallplan, der den Wiederaufbau förderte.

Winziges Pflänzchen

Die Ausstellung lebt von Plakaten, die wohl vielen Besuchern schon einmal begegnet sind. Sie kommen aus Beständen des Museums und wurden zum Teil von den Hilfswerken beigesteuert. Da hängt das Schwarzweißbild von Misereor mit dem Hilferuf „Ich will ein Mensch sein“ aus einer Fastenaktion zur Apartheidpolitik in Südafrika 1983. Oder die dunklen Hände, die auf einem Plakat von Brot für die Welt ein winziges Pflänzchen schützend umklammern.

Die chronologische Abfolge lässt erkennen, wie sich in den bald 60 Jahren Themen und Grafik wandelten, wie aus Parallelwelten die „Eine Welt“ wurde. Anfangs galt allein der christliche Auftrag zur Nächstenliebe. Mit den Jahren wurden die Aussagen differenzierter. Stand ursprünglich die nackte Not der Menschen im Vordergrund, wie unter dem Misereor-Motto „Gebt ihnen zu essen“, wuchs in den 1970er und 1980er Jahren die Erfahrung, dass Hunger meist Folge von Krieg und Misswirtschaft ist. 

Auch setzte sich die Erkenntnis durch, dass die Notleidenden als gleichberechtigte Partner zu sehen sind, nicht als unmündige Opfer. Ende des 20. Jahrhunderts entstand der „Verein Transfair“, dem beide Hilfswerke beitraten. 

Auch wuchs die Einsicht, dass die westliche Lebensweise oft zu schlechten Lebensbedingungen in armen Ländern führt. In jüngster Zeit steht die „Begegnung auf Augenhöhe“ im Vordergrund. Die Trennung in Erste und Dritte Welt entfällt. Nunmehr ist da nur die Eine Welt, die – endlich frei von jeder Art postkolonialer Exotik – auf gegenseitige Hilfe angewiesen ist. Gerrit-R. Ranft

  

Museum der Brotkultur,

„Für eine besserer Welt“, Ulm, Salzstadelgasse 10, zu sehen bis 28. Januar täglich von 10 bis 17 Uhr. 

27.12.2017 - Bistum Augsburg , Historisches