Betriebsseelsorger kümmern sich um Fernfahrer

„Seid ihr Zeugen Jehovas?“

AUGSBURG – Seit vielen Jahren gibt es in der katholischen Kirche eine Seelsorge für Brummifahrer. Um sie kümmert sich eine Arbeitsgemeinschaft von Betriebsseelsorgern aus den Bistümern München-Freising, Rottenburg-Stuttgart, Bamberg, Freiburg, Mainz und Augsburg. 

Betriebsseelsorger Hans Gilg ist schon seit 20 Jahren dabei. Er und seine Helfer wollen nach seinen Worten ein Gegengewicht bilden zur breiten Öffentlichkeit, die die Lkw-Fahrer kaum beachtet oder negativ beurteilt. Jetzt haben die Betriebsseelsorger begonnen, ein neues Buch zu verteilen: „On Tour“ („Auf Tour“).

Ihre Lastwagen verstopfen die Autobahnen. Wenn sie sich außerhalb der Autobahnraststätten einen Ruheplatz suchen müssen, sind Fernfahrer selten willkommen. Viele kommen aus osteuropäischen Ländern und sind hier Fremde. Zum schlechten Image tragen auch die schweren Unfälle bei, die sie mitunter verursachen. Kaum jemand berücksichtigt, dass die Fahrer unter großem Druck stehen, sehr schlecht bezahlt werden und durch das tagelange Unterwegssein oft einsam sind oder familiäre Probleme haben. 

Die Betriebsseelsorge wolle den Fernfahrern die sonst verweigerte Wertschätzung vermitteln, erklärt der neue KAB-Präses und Leiter der Augsburger Betriebsseelsorge, Georg Steinmetz. Wenn die Fernfahrer-Seelsorger auf Rastplätzen unterwegs sind, haben sie nun das Buch „On Tour“ dabei, das sie bei Interesse weitergeben. 

Es enthält kurze Texte und Gebete, die mit der Arbeitswelt der Lkw-Fahrer zu tun haben, das Lukas-Evangelium, das besonders das Mitleid Jesu mit den Menschen betont, und einen Abschnitt mit Tipps und Informationen, etwa wie ein Fernfahrer mit seinem riesigen Gefährt zu einem Arzt kommt, wenn er unterwegs krank wird. Das vorerst nur in deutscher Sprache verfügbare Buch wird laut Steinmetz niemandem aufgedrängt, sondern nur weitergegeben, wenn es der Trucker (oder die Truckerin) haben will.

Willkommen

Zum Seelsorgerteam gehört auch der bisherige KAB-Präses Erwin Helmer. Wie seine beiden Kollegen berichtet er, dass er häufig auf aufgeschlossene Trucker trifft. Ein Gespräch ist zunächst eine willkommene Abwechslung, auch wenn Helmer einmal gefragt wurde: „Seid ihr von den Zeugen Jehovas?“ 

Die Fernfahrer haben laut Helmer ihre eigene Spiritualität: Sie hängen sich gern ein geweihtes Kreuz (wie auf dem Buchtitel zu sehen) an die Sonnenblende. Einer sagte: „Wenn ich am Freitag nach Hause komme, mache ich erstmal ein Kreuzzeichen“ – dafür, dass er vor Unfällen bewahrt wurde. Einer fährt regelmäßig nach Rom und besucht dann immer den Petersdom. Ein anderer wiederum hat ein Schild mit der Aufschrift „Jesus“ hinter der Windschutzscheibe. Das sei sein Spitzname.

Steinmetz ist es wichtig, dass die Betriebsseelsorger nicht missionieren. Es gehe zunächst einmal nicht darum, die Fernfahrer in die Kirche zu bringen. Und man sei auch für evangelische Christen, Muslime oder Atheisten da. „Wir zeigen durch unser Leben, dass das Evangelium unsere Quelle und unsere Stärke ist“, sagt er. 

An vielen Orten

Gilg ergänzt: „Gott ist an vielen Orten, wo wir ihn nicht vermuten. Papst Franziskus fordert uns auf, an die Ränder der Gesellschaft zu gehen.“ Es gebe Truckertreffen – zum Beispiel im September in Lichtenfels –, bei denen ein Wortgottesdienst stattfindet. Beim Totengedenken herrsche immer große Betroffenheit.

Die Betriebsseelsorger würden es gerne sehen, wenn die Fernfahrerseelsorge ausgebaut würde. Gilg stellt sich vier Vollzeitstellen vor, also zwei Zweierteams, die abwechselnd, vielleicht mit einem eigenen Lkw, ständig unterwegs sein könnten. Bisher seien sie mit dem Anliegen, dass dafür Mitarbeiter freigestellt werden, gescheitert. Aber der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhold Marx, unterstütze die Idee.

Andreas Alt

22.08.2018 - Bistum Augsburg