In Zeiten der Corona-Pandemie schauen alle in eine sonst unbeachtete Kapelle

Eine Herzkammer auf begrenzte Zeit

AUGSBURG – Die Mutterkirche der Diözese ist der Augsburger Dom. Ihre Ursprünge reichen bis ins achte Jahrhundert. Künstler aus vielen Epochen haben das altehrwürdige Gotteshaus bereichert. So wurde es neben seiner ideellen Bedeutung als Bischofssitz auch zu einem kunsthistorisch bedeutenden Ort. In Zeiten der Corona-Pandemie sind jedoch im Dom wie anderswo nur vereinzelte Beter anzutreffen. Das Herz der Diözese schlägt momentan in der Bischöflichen Hauskapelle, einem eher unbedeutenden Bauwerk. 

Aus der etwa nur einen Steinwurf vom Dom entfernten Kapelle des Bischofshauses werden wichtige Gottesdienste an Palmsonntag, Gründonnerstag, Karfreitag oder Ostern in alle Regionen der Diözese Augsburg übertragen. Der ernannte Bischof und  Apostolische Administrator Bertram Meier wendet sich von dort aus an alle Gläubigen im Bistum und tröstet damit vermutlich viele Gläubige, die auf Gottesdienste verzichten müssen.

Die SonntagsZeitung hat sich deshalb dieses Kirchlein einmal genauer angeschaut. Errichtet wurde es  in neuromanischen Baustil von dem Architekten Lorenz Hofmann wohl um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Er plante den Bau so, dass er an seiner Nordseite direkt an das 1761 errichtete Gebäude der Domkustodie anschloss, das heute als Bischofshaus dient. Deshalb ragt es im Osten, Süden und Westen in den Garten des Bischofshauses. „In den 1950er Jahren wurde die Kapelle unter Bischof Joseph Freundorfer neu gestaltet“, erläutert der Kunstreferent der Diözese, Felix Landgraf.  Der Augsburger Künstler Professor Georg Bernhard hat im Chor ein Fresko Secco mit echten Naturpigmenten gemalt. „Das können heute nur noch wenige“, erklärt Landgraf. 

Als Thema habe er den im Mittelalter erfundenen Bildtypus des „Gnadenstuhls“ gewählt. Gottvater hält das Kreuz mit Christus in beiden Händen. Darunter schwebt als Symbol des Heiligen Geistes eine Taube. Bernhard habe über Jahrzehnte hinweg ungefähr 130 Kirchen in der ganzen Diözese und darüber hinaus mitgestaltet, erinnert Landgraf. Seine Neuinterpretation des Gnadenstuhls passe gut in den neuromanischen Raum.

Bedeutsam findet der Kunstreferent die Kopie einer Grabplatte des heiligen Simpert aus dem Jahr 1492 auf der Westseite. Einst gehörte die Platte mit dem heiligen Simpert im bischöflichen Ornat und mit Bischofsstab zu einem gotischen Hochgrab in der Simpertkapelle der Basilika St. Ulrich und Afra. 1882 habe die Pfarrgemeinde das Original an das Bayerische Nationalmuseum verkauft. Bedeutsam ist die Kopie laut Landgraf, weil die Platte von dem Ulmer Michel Erhart geschaffen wurde. Er wird neben Hans Multscher zu den bedeutendsten spätmittelalterlichen Bildhauern der Ulmer Schule gerechnet. 

„Anlässlich des Besuches von Papst Johannes Paul II. im Jahr 1987 in Augsburg wurde die Kapelle gestalterisch hergerichtet“, berichtet Landgraf. Dabei überarbeitete Georg Bernhard seinen Gnadenstuhl. Von der Ausstattung der 1980er Jahre ist auch noch der Altar des Architekten Adolf Zach erhalten. Er hat die Form eines antiken Kapitels. 

Die Stühle mit Binsengeflecht und einer Klappkniebank sind dem Kunstreferenten zufolge unter Bischof Walter Mixa durch die jetzigen Kirchenbänke aus den Werkstätten Erwin Wiegerling ersetzt worden. Diese fertigten zur gleichen Zeit auch den Ambo, den Tabernakel und die Kathedra (Bischofssitz) neu. Die barocke Marienstatue an der Südseite sei wohl aus dem Kunsthandel, vermutet Landgraf.

In 80er Jahren stand anstelle der Kathedra ein mit Leder bespannter Faltstuhl (Faldisterium) mit gekreuzten Beinen und Arm-, aber ohne Rücklehne. Das war im Mittelalter der Sitz für Bischöfe und andere geistliche Würdenträger. „Der hat einen neuen Platz im Altarraum der Donauwörther Liebfrauenkirche gefunden“, berichtet Landgraf. Gerhard Buck